Schreiben Sie bedeutungsvolle Dialoge

Sorgen Sie dafür, daß Ihre Leserinnen die Pausen zwischen den Sätzen hören. Lassen Sie sie sehen, wie die Figuren sich vorlehnen, wie sie an den Nägeln kauen, den Blick abwenden, ihre Beine übereinanderschlagen.

Das alles können Sie in einen Dialog verpacken. Dialog ist das, was Ihre Figuren zueinander sagen. Er ist nicht nur dazu da, Informationen weiterzugeben, sondern auch, die Stimmung zu transportieren, Atmosphäre zu schaffen. Das ist sogar eine seiner Hauptaufgaben.

Leider verwenden viele Anfängerinnen Dialog dazu, höchst banale Aussagen zu machen – so wie man halt im täglichen Leben spricht. Das ist aber nicht die Aufgabe eines geschriebenen Dialoges. Ein geschriebener Dialog sollte immer Bedeutung haben, er sollte die Handlung voranbringen und die Figuren charakterisieren, sollte der Leserin langatmige Beschreibungen ersparen.

Wichtig ist auch: Jeder Sprecherin wird ein eigener Absatz zugeordnet. Sobald die Sprecherin wechselt, muß ein Absatz eingefügt werden.

Wir erhalten immer wieder Manuskripteinsendungen, in denen ein Absatz über eine ganze Seite geht, und innerhalb dieses Absatzes wechselt die Sprecherin, wechselt die Perspektive, werden sogar mehrere Personen eingeführt, ohne daß ein neuer Absatz eingefügt wird.

Ich frage mich, wie man darauf kommt, so zu schreiben. Merkt man das denn nicht selbst, daß das nicht geht, daß es kein Buch, das man liest, gibt, das so geschrieben ist?

So zu schreiben zeigt, daß die Schreiberin nicht schreiben kann, daß sie sich auch gar keine Gedanken darüber gemacht hat, wie man richtig Dialog schreibt, und führt normalerweise automatisch zur Ablehnung des Manuskriptes – bei jedem Verlag. Sobald ein Lektor oder eine Lektorin sieht, daß mehrere Personen im selben Absatz sprechen, wandert das Manuskript ohne Zwischenstation ins Ablehnungszimmer.

Ein Absatz kann durchaus etwas länger sein . . . wenn innerhalb des Absatzes dieselbe Person spricht (oder denkt). Auch kann ein Absatz alles enthalten, was diese Person tut. Aber niemals, absolut niemals, darf der Absatz fortgeführt werden, wenn die Person oder die Perspektive wechselt.

Beispiel 1:

»Wo gehst du hin?« Eva versuchte ihre Hände ruhig zu halten und schaute zu Boden. »In die Spielhalle.« Sabine ging auf die Tür zu, während sie Evas Hinterkopf im Auge behielt. »Nicht schon wieder.« Eva stand auf. »Der Dispo auf dem Konto ist schon weit überzogen.«

Ein so geschriebener Absatz ist verwirrend, weil man nie weiß, wer spricht, wann die eine aufhört zu sprechen und die andere anfängt. Das ist eine Zumutung für die Leserin.

Wenn die Absätze korrekt der jeweiligen Person zugeordnet sind, ist das alles viel übersichtlicher.

Beispiel 2:

»Wo gehst du hin?« fragte Eva gereizt.

»In die Spielhalle.« Sabine ging auf die Tür zu und versuchte herauszufinden, ob Eva aufgebracht genug war, sie diesmal zurückzuhalten.

»Nicht schon wieder«, sagte Eva, während sie darüber nachdachte, ob sie überhaupt noch genug Geld hatten, die Miete für diesen Monat zu bezahlen. »Der Dispo auf unserem Konto ist schon weit überzogen.«

Dieses zweite Beispiel ist zwar der äußeren Form nach korrekt, weil es für jede Sprecherin einen eigenen Absatz zur Verfügung stellt, aber die erzählenden Teile zwischen der direkten Rede sind so gut wie nutzlos.

». . . fragte Eva gereizt« ist ein Beispiel für »Beschreiben statt zeigen«, also das Umgekehrte, was man eigentlich machen sollte, nämlich »Show don’t tell« (Zeigen statt erzählen/beschreiben).

Man könnte das »Gereiztsein« auch noch weiter ausbauen: ». . . fragte Eva sehr gereizt« oder ». . . fragte Eva so nervös gereizt, daß ihre Stimme zitterte«, und es würde der Geschichte immer noch nicht mehr Sinn oder Bedeutung verleihen.

Um dieses »Beschreiben« im Dialog zu vermeiden, müssen Sie sich Gedanken darüber machen, wie Sie es durch »Zeigen« ersetzen können. Wie sieht eine Person aus, wenn sie gereizt oder nervös ist? Was tut sie dann? Woran erkennt man ihren Zustand?

Beispiel 3:

»Wo gehst du hin?« Evas Hände verkrampften sich auf dem Tisch.

»In die Spielhalle.« Sabine ging auf die Tür zu. Ihre Augen bewegten sich unruhig zwischen Eva und der Tür hin und her.

»Nicht schon wieder.« Eva stand auf. Ihre Lippe zitterte. »Der Dispo auf unserem Konto ist schon weit überzogen.«

In diesem Beispiel wird nirgendwo gesagt, daß beide – Eva und Sabine – nervös und angespannt sind, aber man spürt es, man erkennt den Konflikt zwischen ihnen deutlich.

Durch die Handlungen der beiden und dadurch, was von dem, was in ihnen vorgeht, äußerlich sichtbar wird, zeigt die Schreiberin weit mehr, als ein banales »gereizt«, »nervös« oder »ängstlich« ausdrücken könnte.

Dialoge beziehen die Leserin weit mehr in die Geschichte und das Geschehen ein als einfaches Erzählen. Sie zeigen Konflikte zwischen den Figuren auf und sind ein wichtiges Mittel zu ihrer indirekten Charakterisierung. Wir lernen die Personen durch das kennen, was sie sagen und wie sie es sagen.

Im Gegensatz zu einem »echten« Dialog zwischen Menschen, die sich widersprechen, unterbrechen, Monologe halten, wichtige Wörter wiederholen usw., ist der Dialog in einer Kurzgeschichte etwas Künstliches, ein Kunstprodukt, das um so echter aussieht, je mehr die Autorin daran gefeilt hat. Er zeichnet sich durch Kürze und Prägnanz aus.

. . . sagt Jack M. Bickham in seinem Buch »Short Story – Die amerikanische Kunst Geschichten zu erzählen«, das bei »Zweitausendeins« erschienen ist.

Ein Dialog in einem Buch ist demzufolge nicht nur die komprimierte Form eines realen Dialoges, wie er auf der Straße oder zu Hause stattfindet oder stattfinden könnte, sondern er erfüllt noch andere Funktionen. Er muß sich somit zwangsläufig von einem Dialog, wie wir ihn aus dem täglichen Leben kennen, unterscheiden.

Er muß besser sein, er muß ein Ziel verfolgen. Das Ziel, die Geschichte voranzubringen und die Leserin zu unterhalten und zu informieren, aber in einer Form, daß sie sich weder langweilt noch überfordert fühlt. Auch sollte die Leserin möglichst gar nicht merken, daß sie über den Dialog Informationen erhält, das sollte wie nebenbei eingeflochten werden.

Deshalb sind viele Anfängerinnen unfähig, Dialog zu schreiben, weil sie den realen Dialog mit dem geschriebenen Dialog verwechseln. Sie sehen den Unterschied nicht, weil ein gut geschriebener Dialog in einem gut geschriebenen Buch so erscheint, als könnte er auch im täglichen Leben so gesprochen werden.

Aber versuchen Sie das mal.