Szenischer Hintergrund (Setting)

Vor welchem Hintergrund spielt Ihre Geschichte? Das sollten Sie eindeutig festlegen.

Der Hintergrund kann sehr verschieden sein. Am einfachsten – vordergründig – ist es, einen historischen Hintergrund zu wählen (wobei »historisch« auch bedeuten kann: »heute, Jetztzeit«), das heißt, einen bekannten Hintergrund, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann.

Zu diesen allgemein bekannten Hintergründen gehören zum Beispiel Kriege. Für »Krieg und Frieden« ist der Hintergrund die napoleonische Zeit von 1805 bis 1812, die mit dem katastrophalen Rußlandfeldzug Napoleons endet, für »Vom Winde verweht« ist es der amerikanische Bürgerkrieg von 1861-1865, für »Der Arzt von Stalingrad« ist es der 2. Weltkrieg von 1939-1945, usw.

Wählt man einen solchen Hintergrund, sind viele Dinge vorgegeben. Man kann den 2. Weltkrieg nicht einfach 1944 oder 1950 enden lassen, er endete 1945, das ist festgelegt. Auch wenn man auf Schlachten und Ereignisse aus dem Krieg eingeht, sollten diese stimmen. Wenn man diese Dinge nicht aus dem FF beherrscht, wird die ganze Geschichte unglaubwürdig.

Amerikaner, die bekanntermaßen von europäischer Geschichte keine Ahnung haben, machen sich durch ihre Unwissenheit oft lächerlich, wenn sie Geschichten einmal ausnahmsweise außerhalb Amerikas spielen lassen. So las ich kürzlich, daß ein amerikanischer Autor eine Geschichte im Deutschland des Jahres 1941 spielen läßt, wobei ein Konzert, das von Karajan dirgiert wird, eine Rolle spielt. Karajan wird in diesem Buch als 85jähriger Greis beschrieben, der kaum noch den Taktstock schwingen kann. Jedermann weiß, daß Karajan 1940 noch ein junger Mann war (er war gerade einmal Anfang Dreißig), kein Greis. Der Autor hat sich nicht die geringste Mühe gegeben zu recherchieren, und die Qualität des Buches ist entsprechend.

Wenn Sie also ein Werk vor einem historischen Hintergrund spielen lassen, recherchieren Sie gründlich, damit nicht alle Welt über Sie lacht wie über diesen dummen amerikanischen Autor.

Dasselbe gilt natürlich für den Ort. Wenn Sie eine Geschichte in einer Umgebung spielen lassen, die nicht Ihre eigene ist, recherchieren Sie gründlich, sonst geht es Ihnen wie einer Autorin hier im Blog, die eine Geschichte im reichsten Viertel New Yorks spielen ließ, aber behauptete, daß es dort von Pennern nur so wimmelte und die Straßen verdreckt wären. So etwas ist einfach nur peinlich. Vermeiden Sie solche Peinlichkeiten, wenn möglich, damit sich die Leserinnen auf Ihre Geschichte konzentrieren und nicht die ganze Zeit darüber lachen, was für Fehler Sie gemacht haben.

Deshalb ist es am einfachsten, eine Geschichte da spielen zu lassen, wo man sich auskennt, und zu einer Zeit, die man selbst erlebt hat oder gerade erlebt.

Der szenische Hintergrund, das Setting, setzt sich aus vier Komponenten zusammen: Zeit, Ort, Umgebung und Atmosphäre. In diesem Rahmen spielt die Handlung.

Beschreiben Sie genügend Einzelheiten, damit Ihre Leserinnen sich die Szene vorstellen können, aber achten Sie darauf, daß Sie nur Details beschreiben, die auch etwas zur Geschichte beitragen.

Wenn eine Person beispielsweise das Haus verläßt, beschreiben Sie nicht, wie sie ihre Jacke anzieht, warum sie die Jacke anzieht, wer ihr die Jacke mal geschenkt hat und warum. Es sei denn, die Jacke wird im nächsten Moment zum Mordinstrument. »Sie verließ das Haus« reicht.

Ganz wichtig: Beziehen Sie alle Sinne bei der Beschreibung des Settings mit ein, nicht nur, wie es oft Anfängerinnen tun, den Gesichtssinn, also die Augen. Wir sind sehr auf den Gesichtssinn konzentriert, Bilder sind für uns wichtiger als Wörter, aber das heißt nicht, daß wir uns darauf beschränken müssen.

Wir haben fünf Sinne (manche auch einen sechsten, wenn Sie wollen, können Sie den ruhig miteinbeziehen), und mindestens zwei davon sollten Sie bei der Darstellung der Umgebung und der Atmosphäre verwenden.

Die Protagonistin kann etwas sehen, hören, schmecken, riechen oder erfühlen, mit den Händen, mit ihrer Haut oder auch mit ihrem »sechsten Sinn«. Am besten ist es natürlich, wenn sie alle fünf (oder sechs) Sinne so einsetzen, daß die Leserin geradezu spürt, was die Protagonistin empfindet.

Ein kurzes Beispiel:

Es roch nach Rauch. Bettina drehte sich um. Sie sah eine dunkle Qualmwolke über dem Ende der Straße aufsteigen. Die Luft schmeckte nach Regen und Gefahr. Sie hörte die ersten Tropfen fallen, bevor sie ihr Gesicht berührten.

Hier sind nun alle Sinne vereint, sogar der sechste, denn wenn die Luft nach Gefahr schmeckt, ist das keine konkrete Empfindung, sondern etwas, das eher einer Vorahnung gleicht, es ist ein reines Bauchgefühl, das von unserer inneren Einschätzung der Situation ausgelöst wird.

Selbstverständlich müssen nicht alle Sinne für eine Beschreibung eingesetzt werden, aber ich glaube, man sieht hier sehr deutlich, wie nützlich die Sinneseindrücke sind. Kaum etwas anderes läßt so direkt eine Szene entstehen.

Wir sehen Bettina auf der Straße, und wir fühlen fast dasselbe wie sie.

Auch wenn es in diesem Beispiel so erscheint, als ob man der Leserin nicht genug Informationen geben könnte: Überfüttern sie die Leserin nicht damit. Informationen über die Wetterlage der vergangenen zwanzig Jahre, die Bevölkerungsdichte oder die exakte Entfernung zum nächsten Tante-Emma-Laden sind nicht notwendig.

Ersetzen Sie das Beschreiben von Einzelheiten durch Erfahrung. Lassen Sie die Leserin miterleben, was Ihre Protagonistin erlebt.

Unser Ausflug in die Wüste war sehr lehrreich. Durch die trockene Hitze klebte unsere Zunge am Gaumen, so daß wir stets das Gefühl hatten zu verdursten. Der wolkenlos blaue Himmel bildete den passenden Hintergrund für die blendende Sonne, die heiß herunterstrahlte. Als ein Sandsturm aufkam, verschlug es uns den Atem. Die feinen Sandkörner drangen uns in alle Poren. Noch schlimmer war es allerdings, als es plötzlich zu regnen begann und die ausgetrockneten Flußbetten sich schlagartig mit wild schäumendem, donnernd herbeiströmendem Wasser füllten, vor dem wir in Panik fliehen mußten, um nicht zu ertrinken.

Man muß nicht sagen: »Es war heiß und trocken«. Ein solcher Satz erzeugt keine Vorstellung in der Leserin. Wenn aber die Zunge am Gaumen klebt, haben wir sofort dasselbe Gefühl, selbst wenn wir gemütlich in unserem Zimmer vor einer Tasse Kaffee sitzen.