Ärgern Sie sich auch immer darüber, wenn Sie in einem Buch einen Dialog lesen und plötzlich nicht mehr wissen, wer nun eigentlich spricht, weil es entweder zu wenige Absätze gibt oder zu viele, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen?

Ja, als Leserin ärgert man sich darüber, aber viele Autorinnen beachten beim Schreiben weder Sprecherwechsel noch Perspektivwechsel. Anscheinend sind Autorinnen keine Leserinnen.

Ich kann wirklich nicht sagen, warum das so ist. Sicherlich gerät man beim Schreiben manchmal in einen Rausch, so daß man einfach weiterschreibt, quasi ohne Punkt und Komma – auf jeden Fall ohne einen einzigen Absatz zu setzen.

Das ist völlig in Ordnung, denn beim Schreiben kann man auf so etwas manchmal wirklich nicht achten, wenn man von seiner Geschichte so in Anspruch genommen ist.

Aber – ganz großes Aber – beim Durchlesen und Überarbeiten kann man wohl auf solche Dinge achten, Absätze einfügen, wo sie fehlen, und entfernen, wo sie zuviel sind. Warum tun das so viele Autorinnen nicht?

Ein Grund liegt sicherlich darin, daß einige Autorinnen ihre Texte einfach gar nicht überarbeiten. Das heißt, sie schreiben sie hin und schicken sie ab, ohne sie noch einmal anzuschauen. Das ist schlampig und zeigt, daß der Autorin nichts an ihrem Text liegt, daß ihr im Grunde genommen noch nicht einmal etwas an ihr selbst liegt. Solche Texte landen dann bei den Verlagen einfach im Papierkorb und werden gar nicht erst gelesen. Denn wer einen formal so schlampigen Text abliefert, dessen Geschichte ist meistens auch nicht viel wert, sie ist weder gut ausgedacht noch inhaltlich interessant.

Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie mal die Texte, die wir immer so reinbekommen. Sie werden schnell feststellen, daß Autorinnen, die gute Geschichten schreiben, sich auch Mühe mit der Rechtschreibung und Formatierung geben. Jeder macht mal einen Fehler, auch eine gute Autorin, aber eine gute Autorin liest ihren Text durch, bevor sie ihn wegschickt, sie versucht Fehler zu finden und auszumerzen.

Eine schlechte Autorin hingegen achtet weder auf Form noch Inhalt, das geht Hand in Hand. Ich habe noch nie einen Text gesehen, bei dem der Inhalt gut war, die Rechtschreibung und Formatierung aber unleserlich. Wenn man gleich im ersten Satz zehn Rechtschreibfehler findet und weiter unten zwanzig überflüssige Absätze (oder eine ganze Seite ohne einen einzigen Absatz), kann man davon ausgehen, daß man die Geschichte vergessen kann. Sie wird weder spannend noch mitreißend sein.

Warum das so ist, habe ich mich schon oft gefragt, und ich denke, es liegt einfach daran, daß ein Text sehr viel über denjenigen aussagt, der ihn geschrieben hat, über seine Persönlichkeit und seinen Charakter. Es ist nicht einfach nur eine Geschichte oder eine Aneinanderreihung von Wörtern, es ist auch ein Psychogramm. Mehr oder weniger natürlich, aber ähnlich wie Graphologen aus handgeschriebenen Texten die Persönlichkeit des Schreibenden herauslesen können, kann man auch aus einem getippten Text etwas über die Autorin erfahren.

Aber wir wollen ja jetzt hier keine Psychologie betreiben, sondern erfahren, wie man es richtig macht, wie man die richtigen Absätze setzt oder wegläßt.

Als ich anfing zu schreiben, habe ich viele Bücher gelesen, und manchmal bin ich auch darüber gestolpert, daß ich plötzlich nicht mehr wußte, wer sprach. Das geschieht vor allen Dingen dann, wenn die Namen der Figuren nicht genannt werden und/oder wenn es sich bei den beiden Figuren (oder mehr), die sich unterhalten, um Personen desselben Geschlechts handelt, wenn es also, wie in lesbischen Romanen oft der Fall, alles Frauen sind. Wird dann immer mit »sie« auf jede Figur Bezug genommen, weiß man bald nicht mehr, von wem die Rede ist.

Als Beispiel eine Szene: Zwei Frauen unterhalten sich.

Meike war mit ihrer Arbeit beschäftigt, als Bettina hereinkam. »Kannst du mir mal helfen?« fragte sie. »Was brauchst du?« »Hier, ich habe eine Liste.« Sie reichte die Liste herüber. »Die Liste ist nicht vollständig.«

Und jetzt machen wir ein Quiz, wer hier was gesagt hat. Nicht allein, daß hier mehrere Personen sprechen und das alles in einem Absatz steht – eine Todsünde beim Schreiben –, sondern beide Personen haben auch noch dasselbe Geschlecht und werden im Dialog nicht beim Namen genannt. Wie soll man sich da noch auskennen?

Wir müssen den Absatz auseinandernehmen und jeder Person einen eigenen Platz zuweisen. Aber richtig.

Meike war mit ihrer Arbeit beschäftigt, als Bettina hereinkam.

»Kannst du mir mal helfen?« fragte sie.

»Was brauchst du?«

»Hier, ich habe eine Liste.«

Sie reichte die Liste herüber.

»Die Liste ist nicht vollständig.«

 Jetzt dachten wir, wir hätten Eindeutigkeit geschaffen, aber dieser erste Versuch, den Dialog der Person zuzuordnen, die spricht, ist wohl offensichtlich gescheitert, denn nun sind es nicht zu wenige Absätze, sondern zu viele. So weiß man wieder nicht, was Sache ist.

Wir könnten vermuten, daß die erste Person, die spricht, Bettina ist. Zumindest wäre das grammatikalisch korrekt. Sie sagt also: »Kannst du mir mal helfen?«

Daraufhin antwortet Meike: »Was brauchst du?«

Und Bettina sagt: »Hier, ich habe eine Liste.« Ebenso ist es Bettina, die die Liste herüberreicht.

Aber dann? Wer sagt: »Die Liste ist nicht vollständig«?

Es könnte sowohl Meike als auch Bettina sein. Meike sagt es feststellend und Bettina entschuldigend.

Genausogut könnte der Dialog in der Szene aber auch andersherum ablaufen, Meike sagt: »Kannst du mir mal helfen?«, als Bettina den Raum betritt.

Dann fragt Bettina: »Was brauchst du?«

Und so weiter. Zum Schluß ergibt sich dasselbe Problem wie beim ersten Fall: Wer stellt fest, daß die Liste nicht vollständig ist, Meike oder Bettina?

Deshalb müssen Dialogzeilen immer eindeutig einer Person zugeordnet werden, Absätze so gesetzt werden, daß in einem Absatz immer nur von einer Person die Rede ist, denn nur dann kann die Leserin sicher sein, daß sie auch versteht, was gemeint ist. Ebenso darf man den Text nicht durch zu viele Absätze zerreißen. Und ein paar zusätzliche Informationen schaden manchmal auch nicht.

Meike war  so sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, daß sie gar nicht bemerkte, wie Bettina hereinkam.

»Kannst du mir mal helfen?« fragte Bettina freundlich, während sie auf Meike zuging.

»Was brauchst du?« Meike blickte auf.

»Hier, ich habe eine Liste.« Bettina reichte die Liste herüber.

Meike blickte auf die Liste und runzelte die Stirn. »Die Liste ist nicht vollständig.«

Nun weiß man genau, wer wann spricht, und ein Absatz bezieht sich immer nur auf eine Person. Sobald die Person wechselt (=Sprecherwechsel), beginnt ein neuer Absatz. Ebenso werden in dem Absatz alle Angaben zu der Person untergebracht und nicht verwirrenderweise in den nächsten Absatz gepackt.

Das ist doch gar nicht so schwer, oder?

Dieselbe Vorgehensweise gilt für einen Perspektivwechsel, wenn kein Dialog stattfindet.

Beispiel:

Meike schaute aus dem Fenster. Das war wieder ein Wetter heute . . . Während Bettina über den Gang zu Meikes Büro ging, hatte sie keinen Blick für die Zustände draußen. Sie war mit ganz anderen Gedanken beschäftigt. Meike überlegte, daß sie wohl ziemlich naß werden würde heute nachmittag beim Joggen. Sollte sie es absagen?

Sicherlich, durch die Namensnennung weiß man hier, um wen es gerade geht, aber das alles in einen einzigen Absatz zu packen ist nicht gerade schön. Und es ist nicht nur unschön, es ist auch einfach falsch.

Wenn man aber zu viele Absätze einfügt, wird es auch wieder verwirrend:

Meike schaute aus dem Fenster. Das war wieder ein Wetter heute . . .

Während Bettina über den Gang zu Meikes Büro ging, hatte sie keinen Blick für die Zustände draußen.

Sie war mit ganz anderen Gedanken beschäftigt.

Meike überlegte, daß sie wohl ziemlich naß werden würde heute nachmittag beim Joggen.

Sollte sie es absagen?

Auf wen bezieht sich »Sie war mit ganz anderen Gedanken beschäftigt«? So auseinandergerissen kann man nicht mehr feststellen, ob es eine Fortsetzung von Bettinas Perspektive oder schon der Ausblick auf Meikes Überlegungen ist, die im nächsten Absatz erwähnt werden.

Also auch hier wieder: Eindeutigkeit schaffen durch die richtigen Absätze:

Meike schaute aus dem Fenster. Das war wieder ein Wetter heute . . .

Während Bettina über den Gang zu Meikes Büro ging, hatte sie keinen Blick für die Zustände draußen. Sie war mit ganz anderen Gedanken beschäftigt.

Meike überlegte, daß sie wohl ziemlich naß werden würde heute nachmittag beim Joggen. Sollte sie es absagen?

So ist es richtig. Erster Absatz Meike, zweiter Absatz Bettina, dritter Absatz Meike.