Tip Nr. 25: Dialoge gekonnt ausschmücken

Achten Sie darauf, daß Sie das Wort »sagte« nicht überstrapazieren. Werfen Sie einen Blick in ein Synonymwörterbuch oder nutzen Sie die Erfahrung vieler kreativer Wortschatzspiele. Verwenden Sie abwechselnd andere Ausdrücke, wie brüllte, brummte, flüsterte, grölte, hauchte, jammerte, kicherte, klagte, krächzte, kreischte, lallte, murrte, rief, röhrte, schrie, seufzte oder wisperte – auch wenn es auf den ersten Blick nicht unbedingt zur Szene paßt. Das ist egal! Hauptsache Abwechslung!

Guter Stil geht jedoch einen Schritt weiter! Verwenden Sie synonyme Ausdrücke, die zur Atmosphäre der Szene passen, welche die Handlung vorantreiben und gleichzeitig die Charaktere weiterentwickeln. Scheuen Sie sich nicht davor, Ihre Beschreibungen so ausarten zu lassen, daß Sie unangemessene Begriffe verwenden, die nicht mehr die Art des Sprechens beschreiben, sondern darüber hinausgehen. Hier nur einige Beispiele:

»Ich weiß es nicht«, zuckte Ralf mit den Achseln.

»Vielleicht?«, kratzte sich Günther am Hinterkopf.

»Du Idiot!«, tippte sich Irene an die Stirn.

»Ich habe Hunger!«, bohrte Johanna in der Nase.

»Mick juckt’s«, kratzte sich Erich am Gesäß.

»Magst du probieren?«, lutschte Karin am Eis.

»Nein, danke!«, trank Bernhard sein Glas aus.

Solche Ergänzungen wirken keineswegs absurd, sondern tragen zum weiteren Verständnis der Dialogszene bei.

Tip Nr. 26: Schreibblockaden überwinden

So schrecklich die Wahrheit auch klingen mag, aber: Schreibblockaden kann man nicht überwinden! Es ist schlichtweg unmöglich! Das ist nämlich die ureigenste Eigenschaft einer Blockade, daß man sie nicht umgehen oder austricksen kann. Ansonsten hießen sie ja nicht Schreibblockaden, sondern bloß Spontan-auftretende-Schreibhindernisse.

Es nützt also nichts, wenn man sich trotz einer Blockade an die Schreibmaschine setzt und einfach darauf loshämmert, in der Hoffnung, plötzlich mit der Schreiberei wieder in Fahrt zu kommen. Alle Assoziations-, Clustering-, Autogenes Training- oder Automatisches-Schreiben-Spielereien, die erfunden wurden, um die innere Energie wieder zum Laufen zu bringen, sind purer Humbug! Sparen Sie sich diese Mühe! Hocken Sie sich lieber auf die Wohnzimmercouch und ziehen Sie sich ein gutes Video und eine Tüte Popcorn rein!

Der einzige Weg, eine Schreibblockade restlos zu überwinden ist, so hart das jetzt auch klingen mag, einfach darauf zu warten, bis sie von alleine weggeht. Es nützt nichts, die Muse und Kreativität krampfhaft herbeizwingen zu wollen. Wenn die Zeit für Kreativität reif ist, wird sie sich von alleine einstellen. Bis dahin muß man eben abwarten . . . und wenn es fünf Jahre dauert, bis man wieder einen halbwegs vernünftigen Satz aufs Papier bringt, dann dauert es eben fünf Jahre! In der Zwischenzeit kann man viele gute Videofilme sehen und jede Menge Popcorn essen.

Tip Nr. 27: Sich lästiges Überarbeiten ersparen

Die eigene Story auf Plausibilität prüfen, die Handlung umschreiben, den Stil überarbeiten, an den Charakteren feilen, die Dialoge straffen, Textstellen kürzen und statt dessen andere einfügen . . . das sind Mühen und Plackereien, womit sich nur unerfahrene Autoren herumquälen.

Wahrhaft geniale, talentierte Schriftsteller haben keine Überarbeitung notwendig, ihnen fließt die perfekte Story im perfekten Stil aus dem Handgelenk. Das sind unsere Vorbilder! Ihnen müssen wir nacheifern!

Deshalb: Tippen Sie einen Roman stets auf der Schreibmaschine herunter, anstatt sich mit Textverarbeitungsprogrammen am PC herumzuplagen. Damit verzetteln Sie sich nur, weil Sie ständig der Versuchung unterliegen, den Satzbau zu verändern, an der Wortwahl herumzufeilen, Dialoge zu ändern, Absätze umzuschachteln, bestimmte Details an einer anderen Stelle einzubauen. Dadurch wirkt der Roman künstlich und verliert den ursprünglichen Charme des Originellen und Spontanen. Der Leser muß spüren, daß Sie Ihren Roman in einem Stück ohne Korrekturen runtergetippt haben, mit all seinen Holprigkeiten, Wortwiederholungen, Unplausibilitäten und logischen Widersprüchen.

Tip Nr. 28: Richtig mit Kritik umgehen

Es soll vorkommen, daß manche Leser, Lektoren oder Herausgeber mit derartiger Stilkunst nicht einverstanden sind und unseren Texten mit subtiler Kritik begegnen. Nur zu! Wir sind auf Kritik gut vorbereitet. Sollten sie es wagen, es nur gut mit uns zu meinen und an unseren Romanen Kritik zu üben, weil sie glauben, daß wir dadurch lernten, es besser zu machen, müssen wir uns immer eines vor Augen halten: Wir haben es nicht notwendig, Kritik einzustecken! Lassen wir es nicht zu, daß jemand an unseren Texten nörgelt! Ersticken wir jede »gut gemeinte« Anregung sofort im Keim und verteidigen unser epochales Werk bis zum letzten Atemzug! Jawohl!

Harte Worte, meinen Sie? Sollen wir diese Kritik etwa vertragen lernen? Sollen wir unseren Stil vielleicht ändern, nur weil jemand anders meint, er könnte es besser? Sollen wir etwa das Positive in dieser Kritik zu finden versuchen? Sollen wir vielleicht gar die Chance darin entdecken, die eigenen Schwächen zu erkennen und auszumerzen? Pah! Natürlich nicht! Nie und nimmer!

Die Wahrheit ist die: Wir müssen endlich begreifen, daß Lektoren ihre Kommentare nicht als Kritik am Text, sondern als persönliche Beleidigung meinen. Sie wollen uns demütigen, uns Steine in den Weg legen. Wir aber sind freischaffende Künstler, wir dürfen unsere Arbeiten nicht zensieren lassen. Die Kunst ist frei und muß frei bleiben! Wer glauben diese Leser und Lektoren eigentlich, wer sie sind, daß sie so über unsere Arbeit urteilen? Die können ja selbst kaum schreiben! Am besten, wir reagieren zornig auf deren Anschuldigungen. Das ist die einzige angemessene Antwort eines wahrhaft professionellen Autors. Fazit: Denen schicken wir nie mehr wieder ein Manuskript! Die sollen schauen, wo sie ohne unsere Texte bleiben.

Sollten Sie ähnlich empfinden, erhalten Sie sich diese Eigenschaft, fremde Kritik abzuschmettern, solange wie möglich.

Tip Nr. 29: Den Leser richtig einschätzen

Nahezu gegen Schluß dieses Artikels noch eine Bemerkung über den Leser: Es ist ein zu Unrecht weit verbreitetes Vorurteil, daß der Leser es schätzt, von selbst auf Muster, Motive und die Bedeutung von Dingen und früher erwähnter Ereignisse zu kommen. Angeblich liebt es der Leser, die Zusammenhänge im Roman selbst zu entdecken. Angeblich versucht er zwischen den Zeilen zu lesen und beginnt damit, zu kombinieren und seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Ha! Welch fataler Irrtum!

Lassen wir uns nicht von derart vorsintflutlichem Humbug einlullen! Wollen wir die Lektüre für unsere Leser tatsächlich zu einem spannenden Erlebnis machen, müssen wir von solchen, aus der Luft gegriffenen Vorstellungen, Abstand nehmen. Das Bild des Lesers hat sich gewandelt, er ist nicht mehr der Konsument, der er noch im 17. Jahrhundert war. Wir müssen unseren Stil an die veränderte Lesegewohnheit unseres Publikums anpassen.

Wir dürfen unsere Leser nicht mitdenken lassen, wir setzen ihnen doch kein Quiz vor oder unterziehen sie einem heiteren Rätselraten, wie wir unseren Text gemeint haben könnten. Statt dessen müssen wir ihnen alles vorkauen und bis ins letzte Detail erklären! Es darf keinen Spielraum für Spekulationen geben, keinen Raum für Interpretationen, keinen Platz für Vermutungen. Lassen Sie nichts offen, klären Sie alles auf!

Doch sollten wir unseren Leser zu gegebener Stunde überraschen! Das ist legitim und vom Leser sogar erwünscht! Wenn unser Protagonist Harry auf Grund der kosmischen Weisheit eines Alien-Känguruhs, beispielsweise drei Wünsche frei hat, wovon er im Lauf der Handlung bereits drei unnötig vergeudet hat, dann sollten wir ihn am Ende der Geschichte auf jeden Fall durch einen vierten Wunsch aus seiner Misere retten.

Das ist kein Betrug am Leser, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, sondern eine überraschende Wendung, auf die der Leser von selbst nie gekommen wäre. Er liebt solche Überraschungen.

Tip Nr. 30: Den ausschlaggebenden Erfolgsfaktor nützen

Den wichtigsten Punkt habe ich für den Schluß aufgespart. Man kann es drehen und wenden wie man möchte, der beste Erfolgsfaktor für keinen erfolgreichen Roman ist und bleibt der Ratschlag, das Manuskript an keinen Verlag zu schicken, sondern den Text in der Schublade am Dachboden liegen zu lassen. Genügt das? Nein! Fest versperrt und den Schlüssel im Blumenbeet hinter dem Haus des Nachbarn verscharrt. So ist es richtig! Denn die verschlossene Kommode am unzugänglichen, verstaubten Dachboden ist der einzige Ort, der sich einem grandiosen, fulminanten, epochalen Manuskript als würdig erweist.

Verlage, die heutzutage beinahe schon gemeinnützigen Kunst-Vereinen gleichen, weil sie nur das drucken, was kaum Chancen auf Erfolg hat, Lektoren, die ihr Handwerk trotz jahrelanger Erfahrung nicht die Bohne beherrschen und den Text verstümmeln, wo es nur geht, Layouter, die jedes edle Buch entstellen, und Leser, die am Roman nur herumzumeckern haben, würden die Genialität eines solchen Manuskripts ohnehin niemals begreifen.

Fazit: Verschwenden Sie Ihr Werk nicht an Banausen! Schreiben Sie es für sich selbst und Ihre Schublade! Nachkommende Generationen werden es vielleicht entdecken und zu würdigen wissen.

Schlußbemerkung

Ich hoffe, Ihnen mit diesem Artikel ein wenig weitergeholfen zu haben. Wenn Sie sich an diese dreißig Tips des Uncreative Writing halten, und Ihre Texte dementsprechend ändern, kann nichts schief gehen. Sie werden garantiert keinen erfolgreichen Roman schreiben. Das verspreche ich Ihnen!

Sollte jedoch das alles nichts genützt und Sie trotz mehrmaliger Versuche dennoch einen erfolgreichen Roman produziert haben, seien Sie bitte nicht verzagt . . . Sie können das Manuskript immer noch von Ihrem PC löschen.

Jedenfalls wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Bearbeiten Ihrer Texte.

Andreas Gruber – Schriftsteller
www.agruber.com