Tip Nr. 11: Cliffhanger gekonnt in den Text einbauen

Beliebtes Stilmittel, um den Leser bei der Stange zu halten, ist der Einsatz von Cliffhangern. Dabei wird, vor allem unter unerfahrenen Autoren, der Fehler begangen, dem Leser zu viel zu verraten, so daß der Reiz der Spannung verloren geht. Scheuen Sie sich also nicht davor, einen knappen Cliffhanger am Ende eines Kapitels einzubauen, wie beispielsweise: »Und plötzlich geschah etwas Schreckliches . . .« Oder die schärfere Variante: »Und dann passierte es!« Oder gar jenes auf den Punkt gebrachte Meisterwerk moderner Spannungsliteratur: »Und plötzlich!«

Der Leser wird vor Spannung erbleichen und gehetzt das nächste Kapitel überfliegen, um endlich zu erfahren, was denn nun weiter passiert.

Wer die Technik der Cliffhanger wirklich beherrscht, kann sogar soweit gehen, drei oder gar vier parallele Handlungen zu erzählen, die sich jeweils mit einem Cliffhanger am Ende eines jeden Kapitels abwechseln. Dabei müssen die Handlungsstränge nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben, auch müssen sie am Ende des Romans nicht zwingend miteinander verknüpft werden, wie viele unerfahrene Autoren das am Ende ihrer Manuskripte zwanghaft versuchen.

Durch diesen raffinierten Kniff, die losen Enden offen zu lassen, wird vor allem eines erreicht: Der Leser gewinnt dadurch das Gefühl, er hätte nicht bloß einen Roman gelesen, sondern einen wahren Episodenroman verschlungen, mit mehreren künstlich aufgeblasenen Kurzgeschichten. Seine Freude über dieses fulminante Leseerlebnis wird ungleich größer sein, als hätte er nur eine einzige Handlung erzählt bekommen. Das ist das Erfolgsgeheimnis komplexer, vielschichtiger Romane.

Tip Nr. 12: Auf richtigem Weg Spannung erzeugen

Über Spannung wurde in vorherigen Kapiteln bereits ausführlich gesprochen. Oft wird dramatische Spannung aber falsch eingesetzt.

Es muß an dieser Stelle einmal endgültig mit der weit verbreiteten falschen Meinung aufgeräumt werden, daß Spannung nur dann entsteht, wenn wir den Leser vermuten lassen, was als nächstes passieren könnte, und ihn bloß daran zweifeln lassen, ob es passiert. Wo liegt denn da das Spannungsmoment? Überlegen Sie: Wenn der Leser beinahe alle Informationen besitzt und bereits emotional tief in die Story verwickelt ist, wird er sich nicht so sehr darum sorgen, jenes eine, winzig kleine Detail zu erfahren, das bisher ungelüftet blieb.

Spannung funktioniert in größeren Dimensionen. Wahre Dramaturgie entsteht immer nur dann, wenn der Leser nicht weiß, was als nächstes passiert, er nicht einmal weiß, ob überhaupt etwas passiert. Wir müssen ihm beinahe alle Informationen vorenthalten. Verschwenden wir also keine Zeit mit Andeutungen, lassen wir ihn komplett im unklaren darüber! Verzweifelt wird er weiterlesen, um genau diese bewußt frei gelassenen Lücken zu erfahren.

Tip Nr. 13: Verwirrende Wendepunkte in der Handlung vermeiden

In der Mitte von Romanen unerfahrener Autoren stößt man oft auf Punkte, an denen sich die Situation dramatisch ändert: Der Jäger wird zum Gejagten, der Rächer zum Helfer, der vermeintliche Selbstmörder möchte am Leben bleiben, die beiden Erzfeinde müssen plötzlich zusammen arbeiten . . . die Liste könnte endlos lange fortgesetzt werden, derartige Strickmuster existieren in Hülle und Fülle. Wir alle kennen sie zur Genüge.

Unerfahrene Autoren glauben sich besonders originell, indem sie die bisherige Handlung ab der Mitte des Manuskripts nach diesen Strickmustern in ihr Gegenteil umkehren. Ist das denn wirklich notwendig? Die Antwort kann nur lauten: Nein! Durch derart plumpe Tricks wird der Leser verunsichert, brutal vor den Kopf gestoßen. Sensiblere Leser werden dadurch völlig überfordert, ja regelrecht dazu gezwungen, das Buch mit einem zornigen »Die Handlung nimmt plötzlich unerwartete Wendungen!« wegzulegen. Das müssen wir verhindern.

Tip Nr. 14: Rückblenden raffiniert einflechten

Über Plot und Aufbau der Handlung wurde bereits zuvor ausführlich gesprochen. Ein Trick sei an dieser Stelle noch verraten, der dem Plot die entsprechende Würze verleiht: Rückblenden! Scheuen Sie sich nicht davor, an jeder nur erdenklichen Stelle Ihres Manuskripts, eine Rückblende in die Handlung einzubauen. Als Faustregel kann gelten: Eine Geschichte braucht mindestens einunddreißig Rückblenden. Exakt formuliert heißt es, die Rückblenden steigen potentiell zur Anzahl der Kapitel. Dadurch wirkt die Story dichter, komplexer, spannender, interessanter – mit einem Wort: genialer!

Machen Sie vor allem zwei Dinge: Gestalten Sie die Rückblende so lange und ausführlich wie möglich, und scheuen Sie sich nicht davor, in der Rückblende auch langweilige Details zu erwähnen! Zu einem Zeitpunkt, da der Leser auf Nadeln sitzt und unbedingt wissen möchte, wie die Handlung weitergeht und wie Harry es schafft, von der Insel zu fliehen, könnten Sie in Harrys Geist zahlreiche Erinnerungen entstehen lassen. Der Moment dazu ist günstig wie noch nie! Lassen Sie Ihren Protagonisten in einer mindestens hundertfünfzig Seiten langen Rückblende darüber nachdenken, wie er als Kind zum Geburtstag ein Hundebaby geschenkt bekam, und er mit dem kleinen Racker über die Stoppelfelder der Äcker tollte. Durch diesen stilistischen Trick wird vor allem eines erreicht: Die Geschichte wird nicht linear erzählt, was ganz wichtig ist! Dadurch wird der Leser zwar aus der fortlaufenden Handlung gerissen, doch gewinnt er andererseits einen tieferen Einblick in die Hintergründe der Story. Auch macht es nichts, wenn diese Kindheitserlebnisse nichts mit der Handlung zu tun haben, Hauptsache sie blähen den Text auf.

Seien Sie aber nicht frustriert, wenn Ihnen die Handlung für Rückblenden ausgehen sollte. Es ist eben nicht jedermanns Sache, wie ein Känguruh im Text herumzuspringen. Es gibt aber einen Trick, mit dem Sie einen linearen Text so umgestalten, daß er wie ein Sammelsurium von Rückblenden wirkt: Verändern Sie die Satzstellung und bringen Sie die Zeitabfolge durcheinander! Nichts leichter als das.

Beispielsweise: »Bevor Harry seinen Golden Retriever mit Käsecrackern fütterte, hatte er dem Tier das Fell gebürstet, ihm eine Leine um den Hals gelegt und war anschließend mit ihm auf die Felder hinausgegangen, nachdem er dem Hund ein Kunststück beigebracht hatte, doch zuvor hatte er noch seinen Vater um eine neue Schachtel Käsecracker gebeten, die ihm seine Mutter vom Dachboden holen würde, sobald der Golden Retriever die alten Cracker auffraß . . .«

Kennen Sie sich noch aus? Ich nicht! Das macht aber nichts! Lassen Sie sich nicht durch grammatikalisch unkorrekte Zeitabfolgen stören. Der Leser muß den Text eben ein zweites, drittes und viertes Mal lesen, bis er ihn begreift. Das ist das schöne an mit Rückschauen gespickten verschachtelten Sätzen.

Tip Nr. 15: Den Showdown gekonnt vorbereiten

Im letzten Drittel des Romans darf nichts vorhersehbar wirken, alles muß sich zufällig ergeben. Die Faustregel muß daher lauten: Die weitere Handlung darf von den zuvor eingeführten Details nicht logisch ableitbar sein. Der Leser könnte ansonsten auf den absurden Gedanken kommen, der Roman wäre in sich stimmig, und dem Protagonisten bliebe keine andere Wahl, als ausgerechnet so zu handeln. Was daher auf den ersten Blick vielleicht als logisch, plausibler Plot wirkt, stellt sich schon bald als billig entworfene Handlung heraus, die der Leser nur allzu gut nachvollziehen kann. Das gilt es zu verhindern!

Unser Ziel ist dann erreicht, wenn sich der Leser im letzten Drittel des Romans pausenlos mit dem Gedanken quält: »Mein Gott, weshalb geht der Held denn nicht endlich zur Polizei und sagt, daß er den Beweis für seine Unschuld schon seit einer Woche in seiner Tasche mit sich herumträgt?« Durch solche Gedanken des Lesers wirkt der Roman spannend und nervenaufreibend bis zur letzten Seite.

Oder durch folgenden Gedanken: »Hätte der Protagonist gleich zu Beginn ein einfaches Gespräch mit der Polizei geführt, was nur allzu logisch gewesen wäre, hätte das alles nicht passieren müssen.« Dadurch bleibt der Leser bei der Stange und fiebert bis zum Ende mit.

Tip Nr. 16: Den Showdown gekonnt inszenieren

Die Stelle kurz vor dem Showdown faßt einmal die mißliche Lage zusammen, in der sich der Gegner unseres Protagonisten befindet. Obwohl sich alle Handlungsstränge ohnehin schon zu einem zweifellos grandiosen, von Spannung durchtränkten Happy End hin entwickeln, verpassen wir dem Bösewicht kurz vor dem Showdown trotzdem noch einen letzten derben Schlag ins Gesicht, der seine ohnehin schon geringen Chancen restlos verschwinden läßt. Wir demonstrieren unseren Lesern die dunkelste Stunde des Feindes und bereiten sie so auf ein furioses Happy End vor, dem nicht die geringste Hürde im Weg steht. Das ist wahrhaft saubere Plot-Entwicklung!

»Jetzt ist es vorbei! Da kommt der fiese Bösewicht nicht mehr lebend raus!«, sollte sich der Leser in diesem Moment denken, während er sich freudig die Hände reibt und dann endlich die letzten fünfzig Seiten des großen Showdowns zu lesen beginnt. Aber nicht vergessen: Anschließend noch vierzig Seiten Epilog draufsetzen!

Tip Nr. 17: Das Ende vollkommen offen lassen

Am Schluß des Romans muß das Gefühl da sein, daß die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt wurde, etwas noch offen geblieben ist, so daß sich der Leser fragt, ob jemand die letzten fünf Seiten aus dem Buch gerissen hat. Dadurch ist der Leser bereit, auch das nächste Buch des Autors zu lesen, weil er die Hoffnung hegt, vielleicht in dem neuen Roman einen versteckten Hinweis auf ein abgerundetes und plausibles Ende zu finden ... was natürlich auch da wieder nicht kommt.

Wenn sich der Leser einmal an komisch offene Enden gewöhnt hat, stört ihn das nicht weiter. Der Autor hingegen hat einen entscheidenden Vorteil erreicht, er hält sich dadurch jede Möglichkeit auf ein Sequel offen. Stirbt der Bösewicht oder nicht, bekommt der Held die rassige Schönheit oder nicht, darf nicht verraten werden ... die Neugierde des Lesers muß unbefriedigt bleiben. Mit diesem einfachen Stilmittel könnte man ohne große Anstrengung eine Endlos-Space-Opera von hundertachtzig Bänden stricken.

Tip Nr. 18: Die Kunst beherrschen, einen komplexen Roman zu schreiben

Je dichter und komplexer der Roman ist, desto besser. Am einfachsten erreichen Sie diesen Effekt, indem Sie mehrere Elemente miteinander verknüpfen. Im Rahmen einer Milieustory sollten Sie eine neu entworfene Welt in allen Details beschreiben, darin auf raffinierte Weise eine Charakterstory einbetten, in der Ihr Held einer fundamentalen Wandlung unterworfen wird, das alles mit einer Ideenstory würzen, wodurch sich ein zentrales Geheimnis Schritt für Schritt lüftet, und letztendlich über alles das Flair einer Ereignisstory legen, wodurch eine aus dem Gefüge geratene Welt wieder ins Lot gerät.

Achten Sie aber stets darauf, daß der Leser niemals und an keiner Stelle des Romans weiß, woran er gerade ist. Verbinden Sie in abwechselnder Reihenfolge alle Elemente miteinander. Der Leser wird jede neue mögliche Wendung in der Entwicklung des Romans freudig erwarten. Als Faustregel kann grundsätzlich gelten: Wenn Sie eine Story beginnen, müssen Sie auf jeden Fall eine andere beenden. Alles andere wäre unprofessionell.

Verbinden Sie die vier Elemente Ihrer Story auch noch mit der unbeantworteten Frage, ob es ein Fantasy- oder Science-fiction-Roman ist, dann sind Sie absolut perfekt. Das hält die Spannung aufrecht. Der Leser weiß Ihr Talent zu würdigen.