Tip Nr. 19: Den richtigen Titel finden

Nachdem der Roman vollendet wurde, sollten Sie dazu übergehen, Ihrem Elaborat statt des bisherigen Werktitels einen echten Romantitel zu geben. Dabei sollten Sie auf einige Feinheiten achten:

Der Titel muß den Kern der Geschichte treffen, er darf nicht zu viel über die Handlung verraten, auf keinen Fall darf er die Schlußpointe andeuten, er muß aber den Konflikt des Romans erkennen lassen, ein Problem aufwerfen, den Leser neugierig machen, reißerisch und zugleich intellektuell formuliert sein, er muß die Zielgruppe der Leser exakt ansprechen und unbedingt so formuliert sein, daß er einem unweigerlich im Gedächtnis haften bleibt. Für unseren konstruierten Roman könnte der Titel deshalb so lauten:

»Das Leben und Sterben des Harry Tuttle, eingebettet in die Saga der Menschen von Calduhocchi, wie sie aufwuchsen, sich ihre Eltern kennenlernten und Harry von ihnen in einer Scheune zusammengedroschen wurde«

- - oder - -

»Die erfolglose Flucht nach Australien – ein Drama, erzählt in einundneunzig Rückblenden und siebzehn wechselnden Erzählperspektiven«

Spüren Sie die Kraft, die von diesem mächtigen Titel ausgeht? Wer würde ein solches Buch nicht sofort kaufen und zu lesen beginnen?

Tip Nr. 20: Den Protagonisten bewußt auswählen

Nachdem der Roman zu Ende geschrieben wurde und wir ihm einen passenden Titel gegeben haben, sollten Sie sich als Autor ernsthaft die Frage stellen, wer eigentlich der Hauptcharakter Ihres Werkes ist? Verwenden Sie bewußt viel Zeit mit der Überlegung, wen Sie als Protagonisten auswählen.

Als Hilfestellung kann Ihnen folgende Überlegung weiterhelfen: Diejenige Person, die am wenigsten in der Handlung zu leiden hat, hat die beste Voraussetzung einen guten Protagonisten abzugeben. Weshalb? Die Antwort kann nur lauten: Weil sich der Leser mit keiner Figur identifizieren möchte, die schwach ist, unter Zeit- und Handlungsdruck agieren muß und dazu gezwungen ist, Dinge zu verändern. Fazit: Bei jenen Protagonisten, die dem Leser am sympathischsten sind, handelt es sich immer um zufriedene, ausgeglichene, starke, selbstbewußte Charaktere, die keine Probleme haben. Alles andere wäre unerträglich langweilig.

Dazu noch ein Hinweis: Es muß nicht sichergestellt sein, daß der Protagonist immer aktiv am Hauptgeschehen beteiligt und an den wichtigsten Schauplätzen anwesend ist. Bei fünf parallelen Handlungssträngen ist das ohnehin unmöglich.

Anstatt den Protagonisten also krampfhaft in jede Szene hineinquetschen zu wollen, genügt es vollauf, dem Helden die spannendsten Momente der Erzählung zu vermitteln, am besten mit Hilfe von Briefen, Radionachrichten, Zeitungsartikeln, Tagebuchaufzeichnungen oder Erzählungen Dritter. Für den Leser wirkt das ohnehin viel spannender, als erlebte der Protagonist die neuesten Wendungen des Romans selbst mit.

Tip Nr. 21: Namen gezielt einsetzen

Welcher Charakter soll welchen Namen tragen? Eine berechtigte Frage. Hier gilt vor allem eines: Überraschen Sie den Leser! Scheuen Sie sich nicht davor, ein warmherziges Weichei Branston Cock Smith zu nennen, einen knallharten Raumschiff Kommandanten Hasuel Helferling, eine laszive Barnutte mit rauchiger Stimme Herta Knopetz oder eine überfettete Hausfrau mit Lockenwicklern Lola Genève.

Eine weitere Faustregel, die niemals ausgelassen werden darf, lautet: Aliens benötigen unbedingt Alien-Namen! Kein Alien heißt heutzutage Batyk, Crypto, Megalox, Tetran, Zyprak oder Xon-8. Das wäre zu plump und einfallslos. Nennen Sie Ihre Aliens Ycztcvöpüw oder Kdiehfrpweijweroi. Trauen Sie sich! Versuchen Sie es mit: FJl4j¦Ã3Pv! Überraschen Sie Ihre Leser und lassen Sie sich komplizierte Zungenbrecher einfallen, die eine willkürliche Aneinanderreihung von Buchstaben, Zahlen und Zeichen darstellen. Je schwieriger die Namen auszusprechen sind, desto mehr Flair des Extraterrestrischen verleihen Sie Ihren Figuren. Glauben Sie mir: Das wirkt!

Um unser Beispiel von vorhin weiterzuspinnen, könnte unser Protagonist Harry, nachdem er von der einsamen Insel endlich auf der entschärften Bombe nach Australien gerudert ist, in Sydney auf Alien-Känguruhs treffen, die so merkwürdige Namen wie Xyzétrikcy, Hzhtxie´ccy oder Shtwyxh´üül tragen. Doch merken Sie sich eines: diese Alien-Känguruhs müssen auch magische Fähigkeiten besitzen, damit weiterhin ungeklärt bleibt, ob es sich um Fantasy oder Science-fiction handelt. Natürlich könnten sie auch einen Colt oder eine Winchester im Beutel tragen, wodurch wir auch die Möglichkeit hätten, daraus einen Western zu entwickeln.

Doch zurück zu den Begriffen: Auch bei der Namensgebung von fremden Gegenständen, Straßen, Städten, Landstrichen, Planeten, Galaxien und parallelen Universen lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf. Motzen Sie Ihre Story mit Fremdworten auf, dadurch wirkt Ihr Roman utopischer und origineller. Scheuen Sie sich um Himmels Willen nicht davor, solche Begriffe zu wählen, die man nicht aussprechen kann, und eine bloße Ansammlung seltener Buchstaben sind. Dadurch wird der Leser aus der Geschichte gerissen, und wir haben es endlich erreicht, daß er statt der Handlung zu folgen, über die Buchstabenfolge nachdenkt. Das wirkt intellektuell auf den Leser, und wir haben ihn da, wo wir ihn wollen.

Tip Nr. 22: Auf die richtige Erzählperspektive achten

Der nächste stilistische Trick wurde zuvor bereits im Titel unseres fiktiven Romans vorweggenommen. Um den Leser nicht zu langweilen, sollten Sie Ihren Roman stets aus einer anderen Perspektive erzählen, niemals jedoch aus einer gleichbleibenden, am besten aus siebzehn verschiedenen. Ansonsten wirkt die Story schal und verliert bald an Unterhaltungswert.

Für den Leser ist es unheimlich wichtig, in die Welt der Geschichte vorzudringen. Das erleichtern Sie ihm dadurch, indem Sie ihn in die Sichtweise der meisten Charaktere schlüpfen lassen. Wenn der Leser alles sieht, hört, riecht und denkt, was auch die zwanzig Hauptprotagonisten, beispielsweise eines Baseball-Teams, erleben, Sie deren Gedanken und Gefühle mit dem Leser teilen, wird er es Ihnen danken, weil er einen ganzheitlichen Eindruck von dem Roman erhält. Scheuen Sie sich also nicht davor, ein ständiges »dachte Irene«, »überlegte Ralf«, »hoffte Karin« oder »fühlte Giovanni« in den Text einfließen zu lassen. Je häufiger Sie solche Sprünge in die Geschichte einbauen, desto abwechslungsreicher gestalten Sie die Handlung.

Durch diesen stilistischen Trick vermeiden Sie vor allem einen Fehler: Sie verhindern, daß sich der Leser mit einem einzigen Charakter identifiziert, und er der Handlung nur aus einer Erzählperspektive folgt.

Tip Nr. 23: Charaktere richtig beschreiben

Bei der Charakterbeschreibung gelten vor allem drei wichtige Regeln: Details! Details! Details! Eine Figur dem Leser mit beispielsweise folgender Demonstration vor Augen führen zu wollen, verblaßt meist ohne Effekt: »Julia war diese Art Frau, die immer dann kreischte, wenn sie eine Spinne sah.« Eine derart ausgelutschte Phrase, die nichts ausspricht und der Fantasie des Lesers freien Lauf läßt, kann nie und nimmer besser wirken als eine bis ins letzte Detail ausgefeilte Erläuterung. Folgendes Beispiel soll das beweisen:

»Marlene war einsachtzig groß, wog siebzig Kilogramm, hatte adrett gekämmtes braunes Haar, eine Locke in der Stirn, rauchblaue Augen und ein Grübchen in der Wange. Sie trug einen grauen Armani Hosenanzug, eine gelbe Damenkrawatte mit silberner Anstecknadel, eine schmale Lesebrille, Silberschmuck im Ohr und hielt eine Ausgabe der Financial Times unter den Arm geklemmt.«

Solche Beschreibungen, solch bloße Aneinanderreihung von Informationen, haben stets mehr Kraft und lesen sich wirkungsvoller als etwa ein plumpes »Marlene sah aus, als käme sie gerade aus einer Calvin Klein Boutique und marschierte schnurstracks zu ihrem nächsten Business-Termin.« Das ist viel zu vage formuliert, und der Leser kann sich nichts darunter vorstellen.

Tip Nr. 24: Realistische Dialoge einsetzen

Oft stoßen wir in Romanen unerfahrener Autoren auf den Fehler, daß Protagonisten anders reden, als wir es in der Alltagssprache tatsächlich tun.

Kein Mensch spricht in knappen Sätzen und bringt alles innerhalb eines Satzes auf den Punkt. Solche Dialoge sind bar jeder Realität und erzürnen den Leser. Er möchte in der Geschichte die kleinen feinen Details der Alltagsunterhaltung hören, die Floskeln der Sprache im Roman wiederfinden – dadurch wirkt jede Szene realistischer. Weshalb also Ihre Protagonisten noch länger in knappen, verdichteten Sätzen sprechen lassen? Lassen Sie Ihre Charaktere seitenlang um den heißen Brei herumreden! Würzen Sie diese Dialoge mit unwichtigen Reflexionen über das Wetter, die Verkehrsstaus, die Umweltverschmutzung, die politische Lage, die Haustiere Ihrer Figuren, deren Schnupfen oder deren morgendlichen Stuhlgang. Alles Unnötige kann nützlich sein, um eine Atmosphäre der Echtheit zu schaffen.

Erst sogenannte Nulldialoge geben der Szene die richtige Würze. Sie bringen die Story zwar nicht voran, aber sie schinden Zeit und blähen die Story auf: »Guten Morgen, wie geht es dir?« – »Danke gut, und dir?« – »Naja, das Übliche!« – »Ja«, lachte Harry, »das kenne ich.« – »Wem sagst du das!« – »Also, mach’s gut!« – »Du auch.« – »Wir sehen uns.« – »Bis bald.« – »Tschüß!«

Wow! Da rieselt es einem doch eiskalt über den Rücken!