Eduard Engel hat sich noch nicht mit solchen Niederungen der Sprache herumgeschlagen, seine Kritik richtete sich gegen die Art von »Stil«, die von manchen auch heute noch als »hohe Literatur« betrachtet wird. Engel wollte einen klaren Stil fördern, keine Verschnörkelungen oder prätentiöse, aber dennoch dumme Schreibweisen, die sich nur hinter (angeblich) gelehrten Worten verstecken. Dieses Problem haben wir heute ebenfalls noch.
Vorausgesetzt wird eine gründliche Kenntnis der deutschen Grammatik
fährt Eduard Engel in der Einleitung zu seinem Buch fort. Und da hapert es bei vielen natürlich schon. Wer kann heute schon noch Grammatik?
Ein guter Stil entspringt einer langjährigen, intensiven Leseerfahrung. Und wer hat die heute noch? Wer hat seinen Hölderlin, Lessing, Uhland oder Goethe gelesen und von ihnen gelernt? Vermutlich kaum jemand. Dann darf man sich allerdings auch nicht wundern, wenn der eigene Stil sich so anhört wie die BILD-Zeitung (weil das vielleicht das einzige ist, was man regelmäßig liest). Denn nur von dem, was man liest, lernt man, positiv wie negativ.
Gerade hier kommt das Buch von Engel zu Ehren, denn er schreibt:
Mein Buch ist nicht für solche Gelehrte bestimmt, deren jeder sich kraft seiner Gelehrsamkeit schon für einen Meister des Stiles hält; sondern für die gleich mir nach einem guten Stil ringenden Ungelehrten, die der liebreichen Unterweisung bedürftig und ihr zugänglich sind.
Also ist das Buch doch genau richtig für uns, die wir vielleicht nicht gelehrt, aber an der Sprache und am Schreiben interessiert sind.
Und vielleicht kommt, wenn wir uns mit diesem Buch beschäftigen, auch einmal wieder ein Gefühl dafür auf, wie wertvoll unsere Muttersprache ist, daß es sich lohnt, sie zu pflegen und daß man sich davor hüten sollte, sie zu sehr zu verschandeln.
Engel formuliert es so:
Vor allem andern war dieses Buch gemeint als Dank aus den Tiefen des Herzens für den Heimatstolz, die Arbeitsfreuden, die Kunstentzückungen, die ich dir, o Muttersprache, reichste aller Zungen, schulde.
Wer empfindet heute noch so für unsere deutsche Muttersprache? Viele werden sicherlich über Engels Einstellung lachen oder sie als altertümlich abtun, aber ich muß sagen, die deutsche Sprache, das ist die Welt, in der ich lebe. Ohne die deutsche Sprache und die Pflege der deutschen Sprache wäre meine Welt eine andere, eine ärmere.
Deshalb werde ich in nächster Zeit einiges aus der »Stilkunst« von Eduard Engel hier zitieren, in der »Schreibwerkstatt« hiermit das Kapitel »Stil« eröffnen und darüber schreiben. Ich denke, wir können viel von diesem Buch lernen.