Nun, ich halte es bis heute nicht für richtig, tut mir leid, Elke. (Meine Deutschlehrerin hieß Elke. Das war Mitte der 70er, und junge Lehrer hielten es damals für »cool«, sich mit ihren Schülern zu duzen. Ich fand es furchtbar. Lehrer sind Lehrer und Schüler sind Schüler. Wenn ich meinen Lehrer duze, wie soll ich ihn dann ernst genug nehmen oder genug respektieren, um etwas von ihm zu lernen? Aber so war das halt damals.)

Auch Elke hatte die »Stilkunst« von Eduard Engel sicherlich niemals gelesen. Aber sie war ja auch keine Schriftstellerin, sondern nur Deutschlehrerin, und wenn ich manchmal so höre, was Deutschlehrer heute noch erzählen, ist das eventuell eine Entschuldigung. Wir erhalten des öfteren Manuskripte von jungen Mädchen zugeschickt, die gleich dazu schreiben: »Meine Deutschlehrerin hat gesagt, ich schreibe gut.«

Mag sein, daß sie das gesagt hat, aber leider, leider verstehen Deutschlehrer so gut wie nichts vom Schreiben, und das ist deshalb keine Empfehlung. Wenn wir solchen »Autorinnen« dann Änderungsvorschläge für ihr Manuskript machen, werden die meist auch nicht angenommen, denn »Meine Deutschlehrerin hat gesagt, ich schreibe gut.« Offenbar denken diese Mädels, ihre Deutschlehrerin versteht mehr vom Schreiben als ich als erfahrene Schriftstellerin. Ist ihr gutes Recht, nur wird ihr Buch dann niemals veröffentlicht, denn in Verlagen sitzen keine Deutschlehrer, sondern Lektoren und Verleger, die die ganze Sache etwas anders sehen.

Würden die Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen sich mit ihren Bewertungen und Beurteilungen mehr an Eduard Engel halten, sähe die Sache allerdings schon anders aus. Denn wer nach seinen Kriterien »gut« schreibt, der würde auch vor unseren kritischen Augen hier im Verlag Gnade finden. Vielleicht sollten wir mal eine Kopie der »Deutschen Stilkunst« an alle Deutschlehrerinnen schicken, damit sie endlich einmal wissen, was »gutes Deutsch« ist. Aber ich sehe schon die entsetzten Gesichter: »Nein, gutes Deutsch oder schlechtes Deutsch, so etwas gibt es nicht!« Ich glaube nicht, daß Elke da die einzige war, die das glaubte.

Stil ist oftmals eine Frage der Bildung und der Erziehung, aber nicht immer. Wenn man in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem »He, Alter, gib mir mal ’ne Fluppe!« als normale und akzeptierte Ausdrucksweise erachtet wird, wird man es sicherlich schwierig finden, einen Satz wie: »Hätten Sie vielleicht eine Zigarette für mich, bitte?« zu formulieren. Eventuell hält man das auch für übertrieben.

Hier jedoch muß ich einmal wieder auf den Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache hinweisen. Ich würde auf einen Satz wie den oben mit der »Fluppe« nie reagieren, weder in gesprochener noch in geschriebener Form, weil ich eine solche Ausdrucksweise einfach unmöglich finde und sie deshalb ignoriere, aber es ist dennoch erlaubt, so etwas in einem Dialog zu schreiben, wenn man dadurch den sozialen Status einer Figur in einem Buch (in diesem Falle den a-sozialen Status) charakterisieren will.

Ist dies jedoch nicht der Fall, handelt es sich um keinen Dialog, sondern um beschreibenden Text beispielsweise in einem Roman, ist eine solche Ausdrucksweise nicht erlaubt. Das ist schlechter Stil, schlechtes Deutsch, zeugt von einem nicht vorhandenen sprachlichen Verständnis oder von einer nicht vorhandenen sprachlichen Bildung. Das ist der Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache. Wenn man so schreibt, wie man redet, schreibt man falsch.