Nicht nur hier im Blog, sondern auch per E-Mail haben sich einige erkundigt: »Darf ich denn nun überhaupt keine Adjektive und Adverbien mehr verwenden, wenn ich schreibe? Ich lese das doch auch bei anderen.«

Der Artikel »Wenn Sie ein Adjektiv sehen, bringen Sie es um« hat anscheinend einiges an Verwirrung ausgelöst.

Ich glaube, das liegt daran, daß alle diese Schreibregeln als zu absolut betrachtet werden. Das Handwerk des Schreibens hat seine Gesetze, aber es sind keine Gesetze, die man nicht übertreten oder modifizieren darf. Es gibt kein eindeutiges »So und nicht anders«. Aber wenn man die Gesetze übertritt – und das ist der entscheidende Punkt – sollte man wissen, daß man es tut und wie man es tut.

Bei Rechtschreibung und Grammatik ist es am einfachsten. Man diskutiert nicht darüber, wie ein Wort geschrieben wird, das ist festgelegt, und daran hat man sich zu halten. Leider hat die »Rechtschreibreform« auch hier für Verwirrung gesorgt, aber die meisten Schreibweisen und Regeln der Rechtschreibung haben sich durch die neuen Vorgaben nicht oder kaum verändert, somit herrscht dort Eindeutigkeit. Man kann sich an die klassische Rechtschreibung oder an den »Neuschrieb« halten, diese Entscheidung obliegt jedem selbst, aber wenn man diese Entscheidung getroffen hat, ist es klar, wie man schreiben muß.

Persönlicher Stil

Schwieriger wird es beim Stil. Dort bestimmen persönliche Vorlieben mehr als feste Regeln. Ich erwähnte ja in dem anderen Artikel schon J. K. Rowling. Sie wirft mit Adverbien nur so um sich, aber das tut ihrem Erfolg keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie erreicht damit ein großes Publikum, weil ihre Texte einfach zu lesen sind und nicht allzuviel Phantasie von der Leserin/dem Leser verlangen. Rowling gibt alles vor, man muß es nur noch abholen – wie im Kino. Sie erleichtert den KonsumentInnen ihrer Bücher damit extrem das Konsumieren ihrer Ware, des Harry Potter.

Das ist ein ungeheuer wichtiger Faktor – verkaufstechnisch betrachtet. Und ich sage auch nicht, daß das schlecht ist. Rowlings Stil ist keine hohe Literatur, aber er ist unterhaltsam, und das ist mehr wert als tausend sklavisch beachtete Schreibregeln.

Worauf ich allerdings immer wieder hinweisen möchte, ist: Rowling hat ein großes Talent. Weil sie dieses Talent hat, kann sie es sich leisten, Schreibregeln zu mißachten oder abzuwandeln, ihren persönlichen Stil darüberzustellen.

Viele, die weit weniger Talent haben, nehmen dies aber zum Anlaß, für sich selbst dasselbe in Anspruch zu nehmen, und das geht eben nicht. Rowling ist sich durchaus dessen bewußt, was sie macht, die meisten wissen jedoch nicht, was sie tun – das ist der entscheidende Unterschied.

Für AnfängerInnen sind Regeln unabdingbar

Wie soll ich sonst wissen, was richtig und was falsch ist? Schreibregeln sind so etwas wie die Richtschnur, die der Maurer benutzt, um eine gerade Mauer zu ziehen. Kein Polier würde einem Lehrling erlauben, ohne Richtschnur zu arbeiten – das Ergebnis wäre: die Mauern sind schief, und das Haus würde zusammenfallen.

Selbst der Maurergeselle oder Maurermeister wird später immer eine Richtschnur verwenden. Dennoch wird jedes der mit dieser Richtschnur erstellten Häuser anders aussehen. Das Fundament jedoch wird solide sein.

Dasselbe gilt fürs Schreiben. Die Regeln des Handwerks sind wie ein Gerüst, an dem man sich entlangarbeiten kann, eine Richtschnur, die ein solides Fundament garantiert. Wie das Haus dann zum Schluß aussieht, das bleibt ganz Ihnen überlassen. Wenn Sie aber nicht wollen, daß es gleich wieder zusammenstürzt, sollten Sie einige Regeln beachten.

Adjektive und Adverbien: So wenig wie möglich, so viel wie nötig

Auf Adjektive und Adverbien vollständig zu verzichten ist unmöglich. Wir brauchen sie für viele Dinge – aber eben nicht immer und überall und ständig.


Wichtig ist, daß Adjektive und Adverbien keinen Selbstzweck erfüllen, sondern daß sie in ein Bild eingebettet sind, in eine lebendige Darstellung.

Ein Beispiel:

Sie war aufgeregt.

Dieser Satz ist tot. Er sagt nichts aus. Er ergreift uns nicht im tiefsten Innern. Interessiert es mich, daß diese Person aufgeregt ist und warum sie aufgeregt ist? Nein, nicht im mindesten. Mein Gefühl bleibt von diesem Satz unberührt.

Also: Wie kann ich diesen Zustand ändern? Wie kann ich meine Leserin mitreißen, ihr beibringen, wie aufgeregt diese Person ist und wie wichtig das ist?

Ganz einfach: durch ein Bild.

»Aufgeregt« allein erzeugt kein Bild, aber wenn ich dem ein starkes Verb hinzufüge, sieht es schon ganz anders aus.

Sie flatterte aufgeregt herein.

»Flattern« ist ein starkes Verb, alle Verben, die Bewegung ausdrücken, sind stark. Sobald ich ein solches Verb verwende, brauche ich meistens kein Adverb mehr.

Ich kann also nun entscheiden, ob ich das »aufgeregt« weglasse oder ob ich das Bild noch weiter ausbaue. Wir entscheiden uns hier zu Übungszwecken einmal für die zweite Möglichkeit.

Überlegen wir also, was aufgeregt flattert. Da kommt uns doch sofort was in den Sinn? Ja, natürlich.

Sie flatterte herein wie ein aufgeregtes Huhn.

Das ist ein Bild, das wirklich etwas aussagt, das sich jede vorstellen kann, das jede kennt. Damit erzeuge ich eine Reaktion im Kopf der Leserin.

Wie ist dieses Bild entstanden? Schauen Sie einmal genau hin. Das Adverb ist verschwunden, statt dessen steht dort ein Vergleich: »wie ein aufgeregtes Huhn«.

Der Vergleich ist eine stilistische Form, die endlose Möglichkeiten birgt. Wenn man ein Adverb durch einen Vergleich ersetzen kann, hat man viel gewonnen.

»Ha!« sagt da jetzt die aufmerksame Leserin. »Da ist aber ein Adjektiv!«


Ja, richtig. Das Adverb »aufgeregt« hat sich in das Adjektiv »aufgeregtes« verwandelt. Und das ist völlig in Ordnung. Adjektive sind nicht verboten, man sollte sie nur sparsam einsetzen. Am richtigen Ort sind sie absolut sinnvoll.

Wir haben also nun ein sehr sprechendes Bild entworfen statt eines langweiligen Adverbs. Als Regel können wir uns merken:

Starkes Verb + Vergleich = Bild

Wir könnten den Beispielsatz sogar noch erweitern und eine darüberhinausgehende Information hinzufügen, nämlich daß diese Person immer so aufgeregt ist, dieser Zustand also nichts Besonderes darstellt:

Wie üblich kam sie hereingeflattert wie ein aufgeregtes Huhn.

Ein kurzer Satz, der sehr viel an Information und an Bildhaftigkeit beinhaltet, mit einem einzigen sinnvollen Adjektiv. Na, das ist doch schon mal was.

Und jetzt gehen Sie Ihren eigenen Text durch. Sobald Sie über ein Adjektiv oder Adverb stolpern, überlegen Sie, ob Sie es durch einen Vergleich ersetzen können.

Beispiel:

Er war ein großer, starker Mann.

Schlecht. Zwei Adjektive, ein schwaches Verb, kein Vergleich, kein Bild.

Also stellen wir uns die Frage: Was macht einen großen, starken Mann aus? Und wieder landen wir bei der Bewegung.

Er kam auf mich zugerollt wie eine gigantische Dampfwalze.

Nur noch ein Adjektiv, dieses eingebettet in ein Bild und mit einem starken Verb der Bewegung kombiniert, das sieht schon viel besser aus.

Wem »Rollen« nicht brutal genug ist, hier noch eine andere Alternative:

Er stampfte auf mich zu wie eine gigantische Dampfwalze.

Man könnte das »gigantische« auch weglassen, denn eigentlich sind Dampfwalzen immer gigantisch, aber wenn es stehenbleibt, ist das noch akzeptabel. »Gigantisch« ist zudem ein Synonym für »groß«, aber wesentlich aussagekräftiger.

Sie könnten allerdings auch sagen:

Ich mußte meinen Kopf schmerzhaft in den Nacken legen, um sein Gesicht über mir sehen zu können. Seine breiten Schultern verdeckten die Sicht auf das Haus hinter ihm.

Das ist dasselbe wie »Er war ein großer, starker Mann«. Erstaunlich, nicht?

Wenn Sie nun Ihren Text durchgehen, denken Sie immer in Bildern, nicht in Wörtern, denken Sie in Bewegung, nicht in statischen Beschreibungen.

Sie sehen ein Adjektiv – Halt! Wo ist das Bild?

Sie sehen ein Adverb – Halt! Was kann ich die Person tun lassen?

Auf diese Art kommen Sie ganz selbstverständlich zu »Show don’t tell«. Sie zeigen etwas statt es zu beschreiben. Das ist das Ziel.

Mit dieser Methode werden Sie es leicht erreichen.