Ich habe schon öfter etwas über Plot geschrieben, z.B. hier:

Einen Plot entwickeln

und auch hier:

Wie plotte ich am besten?

Man kann sich endlos mit dem Thema »Plot« beschäftigen, denn er ist das Rückgrat jeder Geschichte. Trotzdem beherrschen viele Schreibende das Handwerkszeug nur unzureichend – und ich schließe mich da nicht aus. Es ist das alte Problem der Bauchschreiberei. Schreibt man aus dem Bauch heraus, ist es schwierig, Handlungsabläufe im Voraus festzulegen.

Für diejenigen, die mehr in die Tiefe gehen wollen, hier zwei Empfehlungen (es gibt eine Menge mehr Bücher zu dem Thema, aber viele bringen einen auch nicht weiter).

1. Mara Laue: Von der Idee zum fertigen Text

2. Ansen Dibell: Elements of Fiction Writing – Plot (auf englisch)

Wenn man nicht ganz assoziativ schreibt und sich keinen Deut um irgendwelche Logik oder auch Handlungsstränge in der Geschichte kümmert, kommt man spätestens dann zu einem Plot, wenn man das Buch fertiggeschrieben hat. Dann gibt es einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss, und zwischendurch passiert vielleicht sogar noch etwas.

Viele Bauchschreiber schreiben so, und es gibt sogar eine ganze Menge Bestseller, die so geschrieben wurde, allen voran die von Stephen King, sozusagen das Aushängeschild der Bauchschreibergilde. ;)

Deshalb, weil Stephen King und auch einige andere Bauchschreiber so erfolgreich sind, meinen viele Anfänger, sie könnten es genauso machen wie die berühmten Vorbilder. Einige schaffen es auch tatsächlich, aber die meisten scheitern.

Denn ob man vorher plottet oder erst beim Schreiben: Plotten muss man. Das heißt, entweder man überlegt sich vorher den Ablauf der Geschichte und schreibt sie in Stichworten oder kurzen Sätzen auf, oder man überlegt bei jeder Szene, die man schreibt, wie es logisch weitergehen müsste.

Im Grunde genommen ist es derselbe Vorgang, nur einmal ohne Text, ohne Dialog, ohne Figurenentwicklung, nur der grobe Rahmen, das andere Mal mit der Entwicklung sämtlicher Elemente.

In den Hinweisen zum Szenen schreiben habe ich die Entwicklung des Plots schon einmal so geschildert, wie es vor allen Dingen Bauchschreibern hilft. Nanni hatte kürzlich in der Diskussion hier ihre Erfahrungen beschrieben, dass sie sich gewundert hat, dass das Lektorat Szenen umgestellt oder gestrichen hat, Szenen umgeschrieben und neu geschrieben werden mussten. Das ist jedoch eine Erfahrung, die alle Anfänger machen.

Das Lektorat wird immer wieder mit Manuskripten konfrontiert, in denen sich viele Dinge ständig wiederholen (das muss dann gestrichen werden) oder Dinge zu sehr im Detail beschrieben werden (da muss dann gekürzt werden), in denen wichtige Informationen fehlen (dann müssen Szenen oder Figurenentwicklungen hinzugefügt werden) oder Szenen im hinteren Teil des Buches auftauchen, die eigentlich nach vorn gehören und umgekehrt Szenen vorn stehen, die erst im hinteren Teil des Buches, wenn die Leserin mehr Informationen hat, Sinn ergeben. Da müssen dann Szenen verschoben werden.

Manchmal muss man auch innerhalb einer Szene umstellen, wenn beispielsweise am Anfang Dinge schon gesagt werden, die erst später herauskommen sollen. Der ganze Szenenaufbau läuft darauf hinaus, ein Geheimnis zu lüften, aber schon in den ersten zwei, drei Sätzen wird genau dieses Geheimnis offen ausgesprochen. Warum die Autorin dann noch den Rest der Szene schreibt, um das Geheimnis, das sie schon gelüftet hat, noch im Detail zu erklären und es zum Schluss erneut zu lüften, ist oft nicht ersichtlich.

Selbstverständlich sollten solche Schwächen bereits bei der Überarbeitung (oder bei den vielen Überarbeitungen) durch die Autorin ausgemerzt werden, bevor das Manuskript an einen Verlag geschickt wird, aber auch da sehen wir immer wieder, dass viele das nicht können. Sie erkennen gar nicht, dass sie sich ständig wiederholen, dass die Szenen in der falschen Reihenfolge ablaufen oder hin und her springen, dass Figuren handeln, ohne dass man weiß, warum sie das tun, weil zuvor keinerlei Figurenvorstellung und -entwicklung stattgefunden hat.

Ein Plot hilft bei der Figurenentwicklung nur bedingt, aber oftmals ist es der fehlende Plot, der alles zu einer Katastrophe werden lässt. Selbstverständlich nützt auch der beste Plot nichts, wenn die Figuren flach und hohl sind, aber oftmals gibt der Plot Hinweise darauf, wo eine Figur entwickelt werden muss.

Es gibt zwei Arten von Plots: von den Figuren getrieben oder von der Handlung getrieben. Wird ein Plot von der Handlung bestimmt, sind die Figuren oft tatsächlich flach und hohl (Actionfilme sind dafür ein gutes Beispiel), wird ein Plot von den Figuren getrieben, gibt es oft zu wenig Handlung. Alles findet nur in den Köpfen statt.

Am besten ist eine Mischung aus beidem: gut ausgedachte, glaubhafte und komplexe Figuren in einer Handlung, die auf die Spitze getrieben wird, bis die Spannung dann zu einem guten oder schlechten Ende hin abfällt.

Entwickelt man den Plot im Voraus, steht er völlig für sich allein. Die Figuren sind nur Namen, die erwähnt werden. Wird der Plot beim Schreiben entwickelt, kann er niemals für sich allein stehen, auch die Figuren müssen gleichzeitig entwickelt werden. Es ist also eine anspruchsvollere Aufgabe, aus dem Bauch heraus zu schreiben als erst einmal einen Plot zu entwickeln. Hat man den Plot zuerst entwickelt, kommt die anspruchsvolle Aufgabe etwas später, bei der Figurenentwicklung, die ebenso getrennt stattfinden kann.

Für mich persönlich ist es wesentlich einfacher, von den Figuren auszugehen als von der Handlung. Bevor meine Figuren etwas tun, denken sie meistens eine Menge. Während dieser Denkprozesse entwickelt sich die Figur, und das führt eventuell zu einer Handlung.

Das heißt, ich würde sagen, bevor man mit dem Plotten anfängt, muss man zumindest eine grobe Vorstellung von seiner Hauptfigur haben. Man muss genau wissen, was diese Figur in welcher Situation tun würde. Was sie auf keinen Fall tun würde.

Zuerst einmal muss man noch nicht einmal wissen, warum. Es reicht, dass man weiß, dass.

Deshalb schicke ich meine Hauptfigur meistens zuerst einmal los, und sie handelt so, wie ich mir das vorstelle. Ich stelle sie in ein Setting, und dann überlege ich mir, was würde sie jetzt tun? So geht es weiter von Satz zu Satz, von Szene zu Szene, von Kapitel zu Kapitel, bis zum Ende.

Dadurch entwickelt sich der Plot ganz von selbst, denn ich weiß ganz genau, was meine Figur tun würde und was nicht, was logisch wäre und was nicht. Dasselbe gilt auch für alle Nebenfiguren. Sie können nur so handeln, wie es ihrem Charakter entspricht. Eine Zicke wird nicht plötzlich fürsorglich, eine Mutterfigur überlässt ihre Kinder nicht plötzlich einer Gefahr, eine Figur, der Liebe alles bedeutet, lässt sich ihre Gefühle nicht für Geld abkaufen usw.

Das ist eine relativ zuverlässige Art, ein Buch zu schreiben, eine sehr organische Art, die chronologisch vorgeht, so wie man auch im täglichen Leben handelt. Ich kann ein Buch nur von Anfang bis Ende schreiben, und ich denke, das gilt für die meisten figurenbezogenen Schriftsteller. Ich frage mich immer, wie das geht, dass man eine Szene schreibt, bei der man noch gar nicht ist, und sie hinterher irgendwo im Buch einbaut. Für mich wäre das unmöglich.

Hat man das Buch nun so geschrieben, immer mit der Frage im Kopf »Was würde diese Figur jetzt tun und was würde sie auf keinen Fall tun?«, kann man zum Schluss eine Zusammenfassung schreiben, eine Inhaltsangabe, ein Exposé, und dann hat man den Plot.

Einen Plot im Voraus zu entwickeln funktioniert im Prinzip genauso. Man schreibt für jede Szene auf, was darin passieren soll, und wenn man damit fertig ist, hat man ebenfalls einen Plot, nur ist das Buch noch nicht geschrieben. Und man weiß praktisch nichts über die Figuren. Die Figuren sind wirklich nur Platzhalter für Charaktere, die erst noch entstehen müssen. Die bis in die Tiefe ausgelotet werden müssen.

Man kann sich bei einem im Voraus entwickelten Plot also selten fragen, wie die Figur handeln würde, weil man keinen konkreten Anhaltspunkt hat. Die Handlung wird zwar beschrieben, aber ohne dass man weiß, warum diese Handlung stattfindet. Das finde ich ausgesprochen kompliziert, aber für Autoren, die immer alles im Voraus plotten, ist es wohl umgekehrt. Sie finden genau das einfach, finden es aber kompliziert, ein Buch von Anfang bis Ende zu schreiben, ohne den roten Faden neben sich liegen zu haben.

Plot ist wichtig. Ein Buch ohne Plot ist entweder langweilig oder verwirrend oder flach oder es ist ein philosophisches Werk. ;) Aber ich denke, man muss herausfinden, wie man seinen Plot am besten entwickelt, entweder in Stichworten oder gleich als richtigen Roman. Bei beidem muss man aber die Logik beachten, sonst kommt nichts dabei heraus, und man bleibt im skizzierten Plot genauso stecken wie nach 10.000 oder 20.000 oder 30.000 geschriebenen Wörtern.

Was einen Plot absolut verderben kann, ist, wenn man meint, alles, was passiert, wäre Plot. Viele Anfänger machen den Fehler, alles so zu beschreiben, wie es im täglichen Leben abläuft. Wir stehen auf, nehmen eine Dusche, kämmen uns die Haare, trinken Kaffee … Das alles hat nichts mit Plot zu tun. Ein Plot besteht nur aus wichtigen Ereignissen, die Konsequenzen haben, Ursache und Wirkung.

Eine Dusche zu nehmen, wie wir es jeden Morgen tun, hat keinerlei Bedeutung und muss nicht beschrieben werden. Im Film Psycho jedoch ist die Duschszene wichtiger als alles andere, die gehört zweifellos zum Plot.

So ist die Hauptarbeit beim Plotten die zu unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Beschreibe ich die Duschszene oder nicht? Das hängt davon ab, ob das Duschen Konsequenzen hat. Wenn nicht, hat solch eine Szene keinen Sinn.

Wie immer im Leben ist es wichtig, Prioritäten zu setzen. Die Prioritäten beim Schreiben sind, nur Dinge zu erzählen, die Bedeutung haben, und die bedeutungslosen Dinge unter den Tisch fallen zu lassen.