Unser Wettbewerb ist vorbei, also haben wir jetzt Zeit, uns wieder dem Tagesgeschäft zuzuwenden.

Ich unterhielt mich letztens mit einer Kollegin, die sogenannte »freche Frauenromane« schreibt (ehrlich gesagt ein Genre, das mir nicht wirklich etwas gibt), und zwar schreibt sie sie alle im Präsens, in der Gegenwartsform.

Ich fragte sie, weshalb sie das tue, denn ich finde das beim Lesen eher störend, aber sie meinte nur: »Das ist eben meine Art«. Anscheinend hat sie also gar keinen Grund dafür, warum sie sich diese Form ausgesucht hat. Vielleicht kann sie auch einfach nicht anders, weil es eben einem Tagebuch gleicht, wenn man so schreibt, und das fällt vielen wohl zuerst einmal leichter als einen richtigen Roman zu schreiben. Sie erzählen einfach aus ihrem eigenen Leben. Diese Autorin auch.

Warum tut man das? frage ich mich.

Es ist klar, warum viele Amateure das tun: sie können es nicht besser. Es gibt keine Geschichten, die in ihrem Kopf entstehen. Sie können nur darüber schreiben, was sie erlebt haben. Und das ist Tagebuch. Das ist verständlich und nachvollziehbar (wenn auch nicht für eine Veröffentlichung geeignet), aber warum tut eine Autorin das, die immerhin schon drei Bücher veröffentlicht hat? Sie sollte ein Profi sein und deshalb auch professionell arbeiten.

Nicht einmal, als ich anfing zu schreiben, habe ich mich der Gegenwartsform bedient. Ich habe immer in der Vergangenheitsform, dem Präteritum, geschrieben. Es erschien mir ganz natürlich, denn alle Bücher, die ich gelesen hatte, waren ebenso geschrieben, ob »Vom Winde verweht« oder »Effi Briest«, ob sogenannte Unterhaltungsliteratur oder »hohe« Literatur – kein ernsthaft schreibender Schriftsteller und keine ernsthaft schreibende Schriftstellerin schrieb ihre Romane im Präsens, das schien ihnen selbstverständlich und so auch mir.

Vielen scheint diese Denkweise jedoch fremd zu sein. Nicht nur, daß sie im Präsens schreiben – nein, sie wechseln auch noch wild zwischen den Zeiten hin und her, mal Gegenwart, mal Vergangenheit, manchmal vielleicht sogar Zukunft, und dann auch mal Indikativ und mal Konjunktiv, sogar mal Aktiv und mal Passiv, ohne jeden ersichtlichen Grund.

Ganz sicher ist das zum Teil wieder einmal der mangelnden Schulausbildung zu schulden. Offenbar lernen viele in der Schule heutzutage nicht mehr, die deutsche Sprache korrekt anzuwenden. Und bevor wieder alle auf den Lehrerinnen und Lehrern rumhacken: die können nichts machen, wenn Kinder und Jugendliche in die Schule kommen mit der Einstellung »Schule interessiert mich nicht«.

Ich verstehe diese Einstellung nicht, habe sie nie verstanden, ich fand Schule immer spannend. Jeden Tag etwas Neues zu lernen war für mich damals das schönste auf der Welt. Es ist mir ein Rätsel, warum Kinder sich nicht für das Lernen interessieren, denn was gibt es als Kind Wichtigeres?Aber so ist es nun einmal: Viele Kinder verbauen sich schon in frühester Jugend alle ihre Chancen fürs Leben, weil sie einfach nicht lernen wollen und anscheinend nicht erkennen, wie wichtig Schule ist, warum auch immer.

Also die Kinder interessieren sich nicht fürs Lernen und können deshalb Gegenwart nicht von Vergangenheit unterscheiden, weil ihnen einfach die Ausbildung fehlt. Das ist nachvollziehbar. Aber offenbar gibt es auch noch andere Gründe, im Präsens zu schreiben statt in der korrekten Vergangenheitsform, nämlich die, daß einem das einfach gefällt, daß man es persönlich gar nicht nachvollziehen kann, warum man anders schreiben sollte.

Als Beispiel wäre da eine junge Dame zu nennen, die vor einiger Zeit hier im Blog auftauchte, eine kleine Schreibübung hinterließ und dann wieder verschwand. Sie nannte sich Siri und schrieb eine Geschichte aus ihrem Alltag auf, aus der Schule. Sie wackelte mit den Zeiten wild hin und her, wie ich oben schon erwähnte, aber hauptsächlich war es doch Präsens. Die Geschichte an sich war gar nicht so schlecht, aber das Präsens war doch extrem störend.

Interessant war jedoch, daß sie das selbst anscheinend nicht so empfand. Denn als ich sie darauf aufmerksam machte, schrieb sie die Geschichte nicht einfach ins Präteritum um, sondern sie fragte, ob sie nicht wenigstens Teile der Geschichte im Präsens belassen könnte – als ob es ihr eine Herzensangelegenheit wäre, im Präsens zu schreiben, und sie sich kaum davon lösen könnte.

Worauf beruht diese Vorliebe für das Präsens? Liegt es daran, weil Siri in ihrem Leben nicht genug gute Bücher gelesen hat, so daß sie keine korrekten literarischen Vorbilder hat? Oder liegt es daran, daß das Präsens einfacher zu schreiben ist, wenn man anfängt zu schreiben? Gibt es eventuell noch andere Gründe?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber vielleicht wissen es ja Leserinnen dieses Blogs, die dasselbe Problem haben oder hatten wie Siri. Dann wäre ich für Hinweise dankbar.