Es wurde schon einmal hier gefragt, was die richtige Zeitform für eine Erzählung oder einen Roman ist, eher Gegenwart oder Vergangenheit. Die Antwort ist eindeutig:

Es ist die (Erzähl)vergangenheit.

Innerhalb der Erzählvergangenheit muß man jedoch wiederum unterscheiden zwischen der Erzählung selbst und beispielsweise einem Dialog. Das scheint vielen schwerzufallen.

So erhalten wir immer wieder Manuskripte, in denen auch im Dialog, in der gesprochenen Sprache, das Imperfekt (Präteritum) als Zeitform verwendet wird.

Da steht dann also:

Elke fühlte sich schlapp, als sie an diesem Morgen erwachte. Um sich aufzumuntern, beschloß sie zum Friseur zu gehen.
»Guten Morgen, Frau Becker«, begrüßte die Friseurin sie an der Tür.

Bis hierher alles im Imperfekt und alles in Ordnung. Aber nun kommt der Sprung in den Dialog.

»Wie geht es Ihnen?« fragte die Friseurin, als Elke vor dem Spiegel saß.
»Ich trank gestern zu viel Wein und vergaß meinen Schlüssel«, sagte Elke.

Höchst merkwürdig klingt das, aber trotzdem scheinen das viele Schreiberinnen beim Schreiben nicht zu merken. Spricht irgend jemand so? Ich glaube, kaum.

Richtig wäre: Wenn die Geschichte im Imperfekt steht, steht der Dialog – wie im richtigen Leben beim Sprechen – im Perfekt. Oder im Präsens, wenn die Figur etwas über die Gegenwart aussagt.

»Wie geht es Ihnen?« fragte die Friseurin, als Elke vor dem Spiegel saß.
»Mir brummt der Kopf«, erwiderte Elke. »Gestern habe ich bei einer Feier zu viel Wein getrunken und daraufhin dann auch noch meinen Schlüssel vergessen.«

Die erste Aussage, daß ihr der Kopf brummt, steht im Präsens, denn das findet jetzt – in der Gegenwart – statt. Was gestern war oder auch davor steht jedoch im Perfekt (ich habe getrunken, ich habe vergessen) und keinesfalls im Imperfekt.

Obwohl die Verwendung der Vergangenheitsform im Dialog ungeheuer steif und dilettantisch wirkt, schreiben viele es so hin.

Wir versuchen wohl, wenn wir schreiben, ein besonders »gutes« Deutsch zu verwenden, und das Perfekt, das uns im täglichen Leben so vertraut und in vielen Dialekten auch der Standard ist, erscheint uns zu umgangssprachlich.

In einem Dialog jedoch ist es gerade wichtig, eine Vertrautheit herzustellen, auch eine Verbindung zur Umgangssprache, dies allerdings so, daß diese Umgangssprache nicht wirklich der normalen Umgangssprache entspricht, sondern sie nur widerspiegelt, ein umgangssprachlicher Ton sozusagen, nicht aber die Umgangssprache selbst.

Das ist gar nicht so einfach, denn sehr schnell läuft man in die Falle, tatsächlich Umgangssprache zu schreiben und diese nicht mehr in eine »literarische« Form zu bringen. Der Grat ist sehr schmal und für viele, die noch nicht viel geschrieben haben, oftmals schwer einzuhalten.

Es ist – wie so vieles – eine Frage der Übung. Bei Dialogen hilft es immer sehr, sie sich selbst vorzusprechen. Wenn man dabei über jedes zweite Wort stolpert, stimmt etwas mit dem Dialog nicht. Ebenso stimmt etwas damit nicht, wenn sich der Dialog genauso anhört, wie ich gerade am Telefon mit meiner Freundin gesprochen habe.

Der Dialog muß genau zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt sein.

Dialoge sind in der Tat eine Kunst für sich. Deshalb versuchen viele, sie ganz wegzulassen.

Das klingt dann so:

Ich traf sie auf der Straße. Nachdem wir uns begrüßt hatten, fragte ich sie, wie es ihr geht. Sie sagte, es ginge ihr gut, und was ich denn so machen würde. Ich antwortete, daß ich im Moment nicht viel zu tun hätte und gestern auf einer Party gewesen wäre. Usw., usf.

Eigentlich ist das ein Dialog, aber die Schreiberin traut sich nicht, es auch als Dialog hinzuschreiben.

Sicherlich, in diesem Falle würde sich das Hinschreiben des Dialogs kaum lohnen, denn der Inhalt des Gesprächs ist denkbar banal und uninteressant, aber wenn es ein interessanter Dialog eines sinnvollen Gespräches wäre, auch ein Dialog, durch den ich Informationen an die Leserin weitergeben möchte, damit ich sie nicht trocken erzählen muß (das nennt man Infodropping – wieder so ein englischer Begriff, aber ich finde, das auf Deutsch zu übersetzen und Informationentröpfeln zu sagen, klingt denn doch zu albern), dann sollte der Dialog auch wie ein Dialog klingen und nicht wie ein Schulaufsatz.

Dazu muß man sich aber über die Zeitform im klaren sein.