Es gibt zwei Arten von Autorinnen: Die einen setzen sich hin und machen erst einmal einen Plan, überlegen sich, was in ihrem Buch passieren soll, schreiben für jedes Kapitel eine Zusammenfassung bis ganz zum Ende des Buches, für jede Figur eine Biographie, entwerfen die Verbindungen, Hintergründe und Handlungsabläufe.
Die anderen setzen sich vor ein weißes Blatt Papier (meistens den Startbildschirm der Textverarbeitung) und fangen einfach an zu schreiben, lassen sich von Satz zu Satz, von Szene zu Szene, von Kapitel zu Kapitel durch die Geschichte selbst und ihre Figuren treiben, die ihnen diktieren, was sie schreiben sollen.
Beide Methoden haben ihre Berechtigung. Es gibt keinen Grund, warum man es nicht auf die eine oder auf die andere der beschriebenen Weisen machen sollte, denn beides kann zum Erfolg führen.
Die zweite Methode wird beispielsweise von Stephen King angewendet, einem der erfolgreichsten Autoren unserer Zeit.
Die erste Methode wurde von Joanne K. Rowling angewendet, um Harry Potter zu schreiben. Zweifellos auch einer der größten literarischen Erfolge unserer Zeit.
Wenn man vom Handwerk des Schreibens spricht, meint man normalerweise die erste Methode, die mit Planung. Ungeplantes Schreiben kann man schwer unterrichten.
Immer wieder geschieht es jedoch, dass man losschreibt und dann steckenbleibt, wenn man die zweite Methode verwendet. Selbst Stephen King bestätigt das. Er sagte einmal, dass er nie weiß, ob er ein Buch beenden wird, wenn er damit anfängt. Denn er schreibt eben aus dem Bauch heraus und kennt den Schluss nicht, die Auflösung. Er erzählte, dass der Schriftsteller John Irving ihm, King, einmal gesagt habe, dass er immer als erstes den letzten Satz des Buches schreibt, wenn er mit einem neuen Buch anfängt. Stephen King fand das unvorstellbar. Er könnte so nicht schreiben.
Es gibt keine Vorschriften dafür, wo in einem Buch man anfängt zu schreiben. Die meisten fangen vermutlich mit dem Anfang an, aber man kann auch mit dem Ende anfangen oder sogar mit der Mitte. Man kann auch einzelne Szenen schreiben, von denen man noch nicht so genau weiß, wo im Buch sie zum Schluss landen werden, und diese Szenen dann an einem Punkt des Schreibens zusammensetzen, verschieben, löschen, neu gestalten. Unserer Kreativität sind in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt.
Die sogenannten Bauchschreiber ärgern sich jedoch immer wieder darüber, dass sie sich in irgendwelche Ecken schreiben, wo sie mit der Geschichte nicht mehr weiterkommen, dass sie eventuell 500 Seiten geschrieben haben, die sie dann wegwerfen müssen, weil sie zu nichts führen. Gerade wenn man professionell schreiben will, ist so etwas natürlich ärgerlich. Es ist Zeitverschwendung und auch Kreativitätsverschwendung.
Nicht dass man nicht auch bei solchen Aktionen eine Menge lernen kann. Vielleicht kann man auch Teile des Geschriebenen später noch verwenden. Aber dennoch ist es schmerzhaft festzustellen, dass man nicht mehr weiterkommt, dass einem selbst die eigene Kreativität nicht mehr heraushilft.
Was macht man in so einem Fall? Für Bauchschreiber ist das Durchplanen einer ganzen Geschichte von Anfang bis Ende keine Option. Wie Stephen King fühlen sich die meisten Bauchschreiber in ihrer Kreativität gehindert, wenn sie so etwas versuchen. Andererseits möchte man natürlich schon mit seinem Buch fertigwerden. Um es beispielsweise beim Lesbischen LiteraturPreis einzureichen. ;)
Es liegt nahe, darüber nachzudenken, die beiden anscheinend so gegensätzlichen Methoden zu verbinden. Ein wenig Planung in die Bauchschreiberei einfließen zu lassen, aber nicht so viel, dass sie eine beim Schreiben hemmt oder einer die Lust am Schreiben nimmt, weil man den Verlauf und das Ende der Geschichte schon kennt und nicht mehr neugierig darauf ist.
Sehr hilfreich ist es dabei, sich vor Beginn des Schreibens zu überlegen, worum es in der Geschichte überhaupt geht, was die Essenz der Geschichte ist. Diese Frage steht nicht einfach so im Raum, sondern sie ist gebunden an das angestrebte Zielpublikum. Wen wollen wir mit unserer Geschichte erreichen? Für wen schreiben wir?
Versuchen wir uns einmal vorzustellen, dass unsere Leserin – die eine Leserin, für die wir schreiben, denn nur einzelne Personen kann man sich konkret vorstellen – in einen Buchladen kommt und nach einem Buch fragt. Die Buchhändlerin kennt ihre Kundin schon und sagt: „Ja, da habe ich etwas für Sie. Ist gerade reingekommen. In dem Buch geht es um …“
Und genau hier sollte dann die Kurzbeschreibung der Geschichte kommen, die das Interesse der Leserin weckt, so dass sie in das Buch hineinschaut und es vielleicht kauft.
Wie kaufen wir selbst Bücher? Ist es nicht so, dass wir den Klappentext lesen und dann entscheiden, ob uns das interessiert? Genauso geht es jeder Leserin. Also sehen wir uns einmal selbst als Leserin unseres eigenen Buches und fassen die Geschichte in einem einzigen Satz zusammen.
Worum geht es in unserem Buch?
Aus irgendeinem Grunde wollen wir diese Geschichte schreiben, warum wollen wir das tun? Was interessiert uns daran?
Da es in den el!es-Büchern immer um Liebe geht, ist das Hauptthema schon einmal klar. Es soll eine Liebesgeschichte sein. Aber das reicht nicht. Worum geht es konkret?
Die Antwort könnte beispielsweise so aussehen: „Die Protagonistin verliebt sich in eine Frau, die schon oft in ihrem Leben enttäuscht worden ist und sich deshalb nicht mehr auf Liebe einlassen will. Mit Charme und Hartnäckigkeit versucht sie die andere davon zu überzeugen, dass sie die Richtige für sie ist.“
Das sind jetzt zwei Sätze, aber wir sind ja auch erst am Anfang. Demnächst geht es weiter, dann werden wir sehen, was aus dieser Geschichte wird.