Jeder kann ein Buch schreiben. Der Trick ist, ein gutes Buch zu schreiben.

Das ist ein Zitat aus dem Buch »The Plot Whisperer« von Martha Alderson. Ob jeder ein Buch schreiben kann, da bin ich nicht so sicher, aber sicher ist, dass viele Leute versuchen, ein Buch zu schreiben, es sogar schaffen, es einem Verlag anzubieten. Die wenigsten dieser Bücher sind jedoch gut.

Martha Alderson hat aus ihrem Interesse für Ordnung und Methode einen Beruf gemacht und berät seit Jahren viele Schreibende, egal, ob es RomanautorInnen oder DrehbuchschreiberInnen, Amateure oder Profis sind. Was sie dabei herausgefunden hat, ist nicht unbedingt etwas Neues, aber sie hat es speziell im Hinsicht auf den Plot zusammengefasst, und da sagt sie etwas sehr Interessantes:

(Als ich begann, mich mit Plots zu beschäftigen), wurde mir schnell klar, dass »Plot« sehr viel mehr beinhaltet als nur die Summe der Ereignisse in einer Geschichte. Plot ist, wenn und wie die Ereignisse in einer Geschichte Einfluss auf die Hauptfigur nehmen.

Das ist ein großer Unterschied, denn es bedeutet im Umkehrschluss, dass Ereignisse, die keinen Einfluss auf die Hauptfigur haben, zu unbedeutend sind, um sie zu erzählen. 

Die besten Geschichten sind die, in denen die Figuren emotional von den Ereignissen beeinflusst werden. Eine wirklich tolle Geschichte zeigt jedoch zudem, wie der Charakter der Hauptfigur sich durch diesen Einfluss verändert. Nur durch diese Transformation erhält eine Geschichte Bedeutung. Andernfalls ist sie so bedeutungslos, dass sie gleich in der Versenkung verschwinden kann.

In Anbetracht dessen, dass der LiteraturPreis nahe ist, bitte ich alle Einsenderinnen, dies zu bedenken und zu beachten. Ist ein Ereignis bedeutend genug, um emotionalen Einfluss auf die Hauptfigur zu nehmen, sie zu verändern? Nein? Dann streichen Sie es.

Wir haben ja schon öfter über die Kunst des Plottens gesprochen, und das ist sicherlich ein guter Hinweis, der eine Geschichte nur besser machen kann. Ob es dadurch eine wirklich gute Geschichte wird, sei dahingestellt, denn dazu gehört noch etwas mehr als ein guter Plot. Selbst der beste Plot ist nichts wert, solange ein Autor/eine Autorin ihn nicht in eine gute, mitreißende Geschichte umsetzen kann, die die LeserInnen dazu verleitet, eine Seite nach der anderen umzublättern.

Gefühle sind ein besonderes Problem. Innerhalb eines Plots geht es – wie immer man es auch drehen und wenden mag – um Ereignisse. Ereignisse können auch unabhängig von Gefühlen geschehen, tun es sogar meistens. Ohne Gefühle ist eine Geschichte jedoch nichts wert. Wie umgeht man also dieses Dilemma?

Denn ein Dilemma ist es. Man kann einen hervorragenden Plot entwickeln, Ereignisse, überraschende Wendungen, Action und großartige Szenen einbauen – und trotzdem ist das Ergebnis eine blasse Geschichte ohne Aussicht, jemals Leser zu finden, die sich durch sie hindurchkämpfen wollen. Weil das Herz fehlt.

Und Herz bedeutet in diesem Fall nichts Abstraktes, sondern ganz konkret das Herz der Autorin. Eine herzlose und gefühllose Autorin wird niemals ein gutes Buch schreiben können. Und eine Autorin, die ihre Gefühle versteckt, sie im realen Leben eventuell nicht zeigen kann – kann sie ihre Gefühle zu Papier bringen, in einem Buch lebendig werden lassen, wenn sie sie doch ansonsten so unterdrückt?

Ich glaube, das ist ein Problem. Ein Problem, das ich mehr als einmal in Manuskripten gesehen haben, die uns zugeschickt wurden. Allerdings auch in schon veröffentlichten Büchern. Nicht alle Verlage machen das Herz der Autorin zu einem Kriterium.

Aber ich denke, sie sollten es. Wie kann ich lebendige, gefühlvolle Figuren erschaffen, wenn ich selbst meine Gefühle nicht zeigen kann? Wenn ich nicht damit umgehen kann? Wie sollen meine Figuren eine reiche Palette von Gefühlen darstellen, wenn ich mich selbst davor fürchte oder das gar nicht empfinde?

Ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht, wie das gehen soll. Ein gutes Buch lebt von Gefühlen ebenso wie von den Ereignissen. Wenn eins von beidem fehlt, ist es eben nur noch ein Buch – aber kein gutes.