Vor einiger Zeit veranstalteten wir den Wettbewerb »Schreiben Sie in einem Monat einen Roman!«. Einer der Kommentare zu dem Wettbewerb lautet:

Ich zögere noch wegen der oft zitierten fehlenden Zeit und keiner zündenden Idee.

An anderer Stelle gibt die Verfasserin zu verstehen, daß sie durchaus gern schreiben würde und auch schon etwas geschrieben hat, womit sie sogar schon einen kleinen Preis bei einem Schreibwettbewerb gewinnen konnte.

Trotzdem würde ich einmal die Prognose wagen, daß aus ihr nie eine Schriftstellerin werden wird, auch niemand, der mehr als ein oder zwei Geschichten schreibt (selbst erlebte womöglich), denn das, was ein Schriftsteller oder eine Schriftstellerin wirklich im Überfluß hat, sind Ideen.

Ich habe mehr Ideen auf meiner Festplatte, als ich je in meinem Leben in Bücher umsetzen kann, und jeden Tag kommen neue hinzu. Danach braucht man als Schriftstellerin nicht zu suchen, sie fliegen einem zu. Bei jedem Supermarktbesuch, bei jedem Friseurbesuch, wenn man die Zeitung aufschlägt oder den Fernseher anmacht, wenn man eine Mail bekommt oder ein Buch liest.

Ideenmangel ist ein Zeichen dafür, daß man keine Phantasie hat, und wenn man keine Phantasie hat, sollte man nicht schreiben wollen. Dann sollte man sich einen anderen Beruf suchen. Als Hobby kann man das Schreiben ja immer noch betreiben, man kann Tagebuch schreiben oder Geschichten aufschreiben, die man selbst erlebt, aber für eine Veröffentlichung ist das nicht geeignet, und jeder Verlag wird solche Geschichten dankend ablehnen.

Und Zeit? Ihnen fehlt die Zeit zum Schreiben? Dann wollen Sie nicht schreiben. Und auch dann sollten Sie es lassen. Denn wenn man schreiben will, schreibt man überall, wo man gerade ist, und wenn es nur ein paar Worte sind.

Man kommt müde von der Arbeit nach Hause, kann sich kaum noch auf den Beinen halten, setzt sich hin und schreibt. Man sitzt im Seminar oder in der Bibliothek an der Uni und statt zuzuhören oder die Bücher abzuschreiben, die man vor sich auf dem Tisch liegen hat, schreibt man eine Geschichte oder den Anfang eines neuen Romans. Man liegt krank im Bett – und schreibt. Man sitzt beim Doktor im Wartezimmer – und schreibt. Man läßt den Fernseher aus und schreibt statt dessen lieber. Oder man schreibt während des Fernsehens. Man geht nicht auf die Party bei der besten Freundin, sondern schreibt lieber. Man fährt nicht in Urlaub, sondern schreibt lieber. Man betrachtet das Wochenende nicht als Zeit zum Ausruhen, sondern schreibt lieber.

Zeit gibt es im Überfluß. Wenn man sie aber lieber mit anderen Dingen verschwendet statt zu schreiben, ist der Beruf der Schriftstellerin nicht der richtige. Dann sollte man wirklich etwas anderes machen.

Schreiben ist keine »Wenn-ich-mal-Zeit-habe«-Sache. Schreiben ist eine Berufung, eine Passion, eine Leidenschaft, eine Sucht. Man schreibt immer und überall. Und wenn man das nicht tut, dann sollte man es einfach vergessen. Machen Sie etwas anderes. Backen Sie Kuchen, putzen Sie die Wohnung, gehen Sie ins Kino.

Wenn Sie dort sitzen können, ohne ans Schreiben zu denken, ohne ständig von Ideen überfallen zu werden und sie aufschreiben zu wollen, dann sind Sie im Kino besser aufgehoben als vor der Schreibmaschine, dem weißen Blatt Papier oder dem Computer. Stehen Sie einfach dazu und legen Sie das Schreiben ad acta.