Aus gegebenem Anlaß und weil es vielleicht Autorinnen hilft, die einen Roman für den nächsten Lesbischen LiteraturPreis einreichen wollen, möchte ich hier noch einmal auf dieses Thema eingehen:

Warum fangen die Autorinnen nicht gleich mit der Liebesgeschichte an?

Wir haben im LiteraturPreis etliche Einsendungen gehabt, bei denen sich der Anfang elend lang hinzieht, bis man überhaupt eine Ahnung davon bekommt, daß es vielleicht eine Liebesgeschichte sein könnte.

  • Eine Frau fliegt in einem Flugzeug und betrachtet ihr Baby.
  • Liebesgeschichte? Hm. Käme ich jetzt nicht so direkt drauf.
  • Eine Frau kommt in einem Dorf an, schleppt ihren Koffer irgendwie durch die Gegend, betrachtet die Landschaft, macht sich Gedanken zu allem und jedem (nicht aber zu Liebe oder Frauen als Liebesobjekten).
  • Liebesgeschichte? Würde ich nicht unbedingt vermuten.
  • Eine Frau betrachtet ihren Ehemann und macht sich sehr freundliche Gedanken über ihn.
  • Liebesgeschichte? Ja, vielleicht, aber die mit einem Mann. Eine lesbische Liebesgeschichte würde ich bei einem solchen Anfang nicht erwarten. 

Es geht hier nicht allein darum, was nötig ist, um ein el!es-Buch zu schreiben, sondern es geht ganz allgemein darum, wie man eine Geschichte richtig anfängt, um das schriftstellerische Handwerk.

Wie fange ich eine Geschichte richtig an, wenn ich einen Liebesroman schreiben will? Indem ich stundenlang die Landschaft beschreibe, den Anflug auf New York oder meinen Ehemann? Letzteres könnte man tun, wenn man einen Heteroliebesroman schreibt, aber auch da wäre der Anfang nicht wirklich gelungen. Denn es ist keine Liebesgeschichte, wenn die beiden schon ewig verheiratet sind. 

Interessant an einer Liebesgeschichte ist vor allem die Kennenlernphase, das Geheimnis des Gegenübers, das Rätsel, das ich lösen will, die Frau, die ich erobern will.

Und mit diesen Gedanken sollte der Roman auch beginnen. Oder zumindest mit Hinweisen darauf.

Ich nehme als Beispiel mal den Anfang eines Romans, den ich gerade schreibe:

„Darf ich Sie vielleicht zu etwas einladen?“

Kira hob erstaunt den Blick von ihrem Cocktailglas, in das sie die ganze Zeit gestarrt hatte.

„Nicht?“ Die andere Frau schien zu schmunzeln. „Sie werden mir so eine bescheidene Bitte doch nicht abschlagen, oder?“

Nun hob Kira zusätzlich zu ihrem Blick auch noch die Augenbrauen.

Die andere lächelte. „Sie sind hinreißend, wissen Sie das? Ich beobachte Sie schon die ganze Zeit, während Sie hier an der Theke sitzen.“ Die Augen der anderen tauchten in Kiras ein, versuchten sie zu durchdringen. „Zuerst dachte ich, Sie warten auf jemanden, aber wenn das so war, dann …“, die andere räusperte sich diskret, „hat er Sie wohl versetzt.“

Kira spitzte leicht amüsiert die Lippen. „Niemand hat mich versetzt. Ich war nicht verabredet.“

„Wie erstaunlich. Eine schöne Frau wie Sie …“ Die andere schob sich auf den Barhocker neben Kira.

„O bitte …“ Kira verzog das Gesicht.

„Schon gut.“ Die andere hob leicht lachend die Hände. „Das war etwas zu viel Schmalz, ich gebe es zu. Aber man weiß ja nie, was eine Frau hören will.“

„Ich bin überzeugt, Sie haben viel Erfahrung darin, das auszuprobieren“, sagte Kira und nippte an ihrem Cocktail.

Ich will jetzt nicht behaupten, daß das der beste Anfang aller Zeiten ist , aber man weiß doch augenblicklich, um was es geht. Oder nicht? Und das hier würde ich mir für die Einsendungen zum LiteraturPreis wünschen: daß man schnell eine Ahnung davon bekommt, auf was die Geschichte hinauslaufen soll.

Eine ewig lange Beschreibung der Landschaft kann immer noch folgen, nämlich dann, wenn die Protagonistin mit der geliebten Frau im Gras liegt und sie beide romantische Gefühle entwickeln. Für so eine Beschreibung ist später noch Zeit. Der Anfang jedoch sollte dem Thema der Geschichte gewidmet sein, der Liebe – oder zumindest der Aussicht darauf.

Was ist so schwierig daran – oder so unwichtig? –, direkt mit der ersten Begegnung der beiden Frauen zu beginnen? Warum müssen erst tausend andere Sachen erwähnt und erklärt werden, bevor man überhaupt zum Punkt kommt?

Gut, ich gebe zu, das ist ein Fehler, den viele Anfänger beim Schreiben machen. Sie verzetteln sich, verlieren sich in Einzelheiten, in überflüssigen Beschreibungen.

Deshalb schreibe ich diesen Artikel und bitte alle: „Bitte machen Sie diesen Fehler nicht!“

Konzentrieren Sie sich auf die Geschichte. Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche. Schreiben Sie zuerst die Liebesgeschichte, und wenn Sie dann noch irgendwelche Beschreibungen einfügen wollen, für die Atmosphäre, für die Verbesserung der Geschichte, tun Sie das.

Aber konzentrieren Sie sich erst einmal auf die Liebesgeschichte.

Bitte.