Das el!es-Schreibforum ist seit einiger Zeit wieder aktiv. Seitdem sind bereits zwei Romane dort abgeschlossen worden, und zwei Romane entstehen gerade jetzt. (EDIT Juni 2023: Alle vier Romane sind mittlerweile abgeschlossen und vier weitere sind im Romanforum im Entstehen begriffen.)

Das hört sich für einige vielleicht nicht nach viel an, aber da el!es nur ein kleiner Verlag ist, gibt es nicht Tausende von Autorinnen, die mitmachen könnten. Wenn man davon den Prozentsatz nimmt, den die Autorinnen, die sich aktiv im Forum beteiligen, ausmachen, ist er sehr hoch.

Es könnten natürlich immer noch mehr Autorinnen mitmachen – auch Autorinnen, die bisher nicht bei el!es veröffentlicht haben –, denn es soll ein allgemeines Forum zum Austausch für lesbische Autorinnen sein. Aber im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass nicht alle Autorinnen ein Forum schätzen oder nutzen wollen.

Für mich war das Forum immer ein Platz, ein geschützter Platz, an dem wir uns austauschen können. Doch manche Autorinnen bevorzugen es wahrscheinlich, das über ihre eigenen Social Media zu tun, nur sie selbst und ihre Leserinnen. Das ist heute ja auch viel einfacher als früher.

Ich verstehe das, und dennoch bevorzuge ich das Forum. Denn dort sind nicht nur Leserinnen, sondern Kolleginnen. Das ergibt einen Austausch der anderen Art. Wir diskutieren sehr oft darüber, wie eine Geschichte weitergehen könnte, wenn wir uns festgefahren haben. Ohne die Hilfe unserer Kolleginnen sind wir da manchmal aufgeschmissen.

Steffi König (Kingsley Stevens) zum Beispiel hatte vor zweieinhalb Jahren im alten el!es-Schreibforum mit einer Geschichte begonnen, mit der sie nicht mehr weiterkam. Sie war schon ganz verzweifelt. Sie hatte sich mit der Geschichte in eine Ecke verrannt, aus der sie nicht mehr herauskam.

Für den letzten LLP, den Jubiläums-LLP, schrieb sie dann ein anderes Buch, aber ihr ursprünglicher Versuch ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Er verfolgte sie bis in den Schlaf hinein.

Dennoch wusste sie nicht, wie sie aus dieser verfahrenen Situation herauskommen konnte. Allein schaffte sie es nicht.

Also übernahmen wir ihren alten Versuch ins neue Forum, diskutierten darüber, und plötzlich löste sich etwas. Steffi merkte, dass sie gleich am Anfang einen Fehler gemacht hatte, der in der Konzeption der Hauptfiguren lag. Oder eher gesagt, einer der Hauptfiguren. Die zweite Hauptfigur konnte bleiben, wie sie war, aber die erste Hauptfigur, die sie entworfen hatte, hatte nicht genug Potenzial, um mit der zweiten Hauptfigur mithalten zu können.

Also begann sie, das Buch ganz von vorn neu zu schreiben, mit einer ganz neuen ersten Hauptfigur, die kaum etwas mit dem Entwurf, den sie ursprünglich für diese Figur im Sinn gehabt hatte, zu tun hatte. Und plötzlich lief es. In der ersten Woche diesen Jahres 2023 konnte sie das Buch, das über zweieinhalb Jahre unbearbeitet herumgelegen hatte, beenden.

Das sind die Wunder, die in einem Forum geschehen können, wenn man sich miteinander austauscht. Allein ist man oft hilflos, denn die eigene Geschichte dreht sich im eigenen Kopf oft nur im Kreis. Steffi hatte ihre Geschichte schon abgeschrieben. Sie dachte, daraus würde nie mehr etwas werden, fühlte sich als Versagerin.

Aber so ist es nicht. Jede Geschichte hat Potenzial. Man muss es nur finden.

Und oftmals hängt das an den Figuren, wie man an diesem Beispiel sieht. Vielleicht sogar immer, wie es viele Schreibratgeber behaupten und auch ich. Schwache Figuren können keine noch so starke Geschichte tragen. Eine schwächere Geschichte kann jedoch durch starke Figuren durchaus interessant werden.

Zu schwach sollte die Geschichte auch nicht sein, es sollte schon etwas passieren, aber wenn die Figuren stark und überzeugend sind, gehen die Leserinnen oftmals über Schwächen in der Geschichte hinweg, fast ohne sie zu bemerken. Sie lieben die Figuren, identifizieren sich mit ihnen und sind zufrieden, wenn sie das Buch zuschlagen.

Es gab im alten Schreibforum viele Geschichten, die Autorinnen dort angefangen, aber nie beendet haben. Eine ganze Menge Anfänge schlummern noch dort. Die Autorinnen, die diese Geschichten angefangen haben, sind schon lange nicht mehr ins Forum gekommen, um an ihnen weiterzuarbeiten. Dadurch benehmen sie sich der Chance, diese Geschichten mit Hilfe ihrer Kolleginnen doch noch beenden zu können, wie es Steffi getan hat.

Ich persönlich weiß nicht, woran das liegt. Ich habe das Forum immer geliebt und war jeden Tag dort, habe meine Hilfe angeboten und auch Hilfe für meine eigenen Romane bekommen, wenn ich einmal feststeckte. Was durchaus auch bei mir einmal vorkommen kann, trotz aller Erfahrung. Auch ich brauche manchmal einfach nur eine andere Perspektive, die mich auf den richtigen Weg bringt. Denn ich kann eine Geschichte von allen Seiten beleuchten, dennoch ist die Perspektive immer dieselbe, nämlich meine.

So ging es auch Steffi, als sie sich allein mit ihrem alten Versuch einer Geschichte herumschlug. Sie drehte sich im Kreis, versuchte mit den Figuren zu arbeiten, die sie entworfen hatte, und es ging nicht. Da sie eine feste Vorstellung von diesen Figuren hatte, konnte sie sie nicht ändern.

Erst im Forum, beim gemeinsamen Überlegen mit den Kolleginnen, kam es dazu, dass sie sich von ihrer Hauptfigur verabschieden konnte, die sie einfach nicht weitergebracht hatte. Es ist immer eine Art Trauerfall, wenn man das tun muss. Auch Steffi wollte diese Figur nicht begraben, weil das zu schmerzhaft für sie war.

Doch als sie sich dazu entschloss, öffnete sie für sich selbst ein Tor, durch das hindurch die Geschichte dann weiterfließen konnte. Und jetzt ist die Geschichte fertig, ist sehr gut geworden und wird noch dieses Jahr veröffentlicht. Womit weder Steffi noch wir vom Verlag noch gerechnet hatten.

Sie ist sehr glücklich, wir sind glücklich, alle sind glücklich.

Es ist dieser Austausch, der mich auch selbst immer wieder beflügelt. Schreiben ist ein einsames Geschäft, darüber habe ich ja schon den einen oder anderen Artikel geschrieben. Niemand schreibt die Romane für uns, wir müssen sie selbst schreiben. Und dabei sitzen wir einsam und allein vor dem Computerbildschirm.

Wenn man dann steckenbleibt, hat man das Gefühl, man hätte ein Brett vor dem Kopf, durch das man nicht hindurchsehen kann. Verzweifelt wendet man sich in alle Richtungen, um nach Inspiration zu suchen, aber so leicht ist sie nicht zu finden. Sie will sehr gebeten werden, und manchmal ist eine einzige Stimme nicht genug, um sie erscheinen zu lassen.

Deshalb ist es gut, mehrere Stimmen zu haben, die nach ihr rufen.

Gemeinsam in einem Forum.