Heute geht es um etwas anderes: Um das Verhalten von uns Menschen untereinander. Besonders auch in Zeiten wie diesen, in denen man eigentlich meinen sollte, jeder würde ganz selbstverständlich anderen helfen, nicht nur an sich selbst denken.
So ist es aber nicht. Anscheinend ist die Selbstsucht schon so tief in uns verankert, dass wir gar nicht mehr anders können. Wie ist es sonst zu erklären, dass Menschen ohne Rücksicht auf andere einfach auf Raves gehen, ohne Masken oder sonstigen Schutz, sich da ihrem Vergnügen hingeben, sich eventuell anstecken, dann auch andere anstecken und gar nicht darüber nachdenken, das nicht zu tun? Sich zurückzuhalten und nicht nur dem eigenen Vergnügen zu frönen?
Aber das bezieht sich ja nicht nur auf Raves, wo es meistens um junge Menschen geht, und junge Menschen haben oft einfach noch keinen Verstand, noch keine Lebenserfahrung, die ihnen sagt, dass man nicht immer nur an sich selbst denken sollte, dass es auch noch andere Menschen gibt, die wichtig sind außer dem eigenen, angeblich so „großartigen“ ICH.
Es bezieht sich genauso auf erwachsene Menschen über 30 oder 40 oder vielleicht sogar noch älter, die sich genauso verhalten wie die Kinder auf den Raves. Die aber nicht die Entschuldigung haben, dass sie noch keine Zeit gehabt hätten, einen Verstand zu entwickeln, weil sie noch zu wenige Jahre auf der Welt sind. Die eigentlich Lebenserfahrung haben sollten. Die Rücksicht auf andere nehmen sollten, weil sie wissen, wie angenehm es ist, wenn andere auch Rücksicht auf einen selbst nehmen. Dass das Zusammenleben unter uns Menschen wesentlich einfacher und angenehmer ist, wenn jeder Rücksicht auf den anderen nimmt.
Es ist, als ob das etwas ist, das viele nicht gelernt haben. Sie suchen sogar dort einen Grund, sich zu streiten oder eine Person anzugreifen, wo es objektiv betrachtet überhaupt keinen Grund dafür gibt. Als ob sie auf der Lauer lägen wie ein Rudel Wölfe. In das man völlig unerwartet und naiv hineingerät, ohne zu wissen, wie einem da geschieht. Mit einem Rudel Wölfe kann man nicht reden, nicht diskutieren. Und mit solchen Menschen auch nicht. Als ob sie im wahrsten Sinne des Wortes ein Brett vor dem Kopf hätten.
Viele gutmeinende Menschen versuchen trotzdem, zu solchen Leuten durchzudringen. Ich habe es ehrlich gesagt auch lange Zeit versucht. Weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass jemand der Vernunft so absolut feindlich gegenübersteht. Und auch dem Gefühl. Dass es Menschen gibt, die weder das eine noch das andere besitzen. Weil ich so viel davon habe, dass ich das für selbstverständlich hielt.
Aber das ist es nicht. Von so einer Voraussetzung darf man niemals ausgehen. Man kann sich noch so nett und entgegenkommend verhalten, an solche Menschen ist das verschwendet. Es kostet nur die eigene Zeit, die eigene Energie, die eigenen Nerven. Ohne dass man etwas damit erreicht. Und meistens wird man sogar noch dafür angegriffen, weil diese Menschen es ausgezeichnet verstehen, alles so zu verdrehen, dass sie als die Guten und ihre armen Opfer als die Bösen dastehen.
Das hat auch überhaupt nichts mit den Zeiten zu tun, die uns so überraschend seit dem Ausbruch des Virus getroffen haben. Das war vorher so und das wird weiterhin so sein, wenn wir alle das mit dem Virus überstanden haben. In solch angespannten Zeiten kommt das Böse in den Menschen nur noch mehr zum Vorschein. Vorher konnten sie es vielleicht besser verstecken. Oder es ging im Stress des Alltags unter, der uns alle oft ungeduldig macht.
Schon als Einzelpersonen sind solche Menschen unangenehm und kosten einen Nerven, eventuell auch Geld und viel Zeit – auch ein einzelner Wolf ist gefährlich –, ganz schlimm wird es aber im Rudel. Da versteht man dann manchmal die Welt nicht mehr. Wenn man so ein Rudel trifft, braucht man nur ganz freundlich Guten Tag zu sagen, und schon wird man zerrissen. 😯
Was auch immer sich solche Menschen davon versprechen, ich verstehe es nicht. Es ist durchaus möglich, dass die Mitglieder dieses „Rudels“ sich sehr schwach und verunsichert fühlen und auch einmal auf der anderen Seite sein wollen. Aber das sehe ich nicht als Entschuldigung an. Auch ein Mensch, der sich schwach und verunsichert fühlt, hat naturgegeben ein Gehirn und kann über seine Handlungen nachdenken.
Die Fähigkeit dazu scheint in solchen Rudeln jedoch völlig ausgeschaltet zu sein. Als ob Gehirnamputation die Eintrittsvoraussetzung wäre. Im Rudel fühlen sie sich stark und brauchen kein Gehirn mehr. Oder nur noch das ihres Anführers, der ihnen sagt, was sie tun sollen.
Dieses Verhalten ist äußerst menschlich. Das gibt es schon, solange es Menschen gibt, nicht erst seit heute. Früher, als wir noch in kleinen Stammesverbänden lebten, hatte das auch durchaus seine Berechtigung. Die optimale Gruppe, um zu überleben, besteht aus 11 Leuten, habe ich einmal irgendwo gelesen. Aber wo gibt es solche idealen Gruppen heute noch? Wir leben in Millionenstädten. Dafür sind wir Menschen nicht gebaut.
Und dementsprechend entwickeln wir uns. Einerseits betrachten wir uns als Mitglied einer kleinen Gruppe (z.B. unserer Familie), andererseits versuchen wir uns Gruppen anzuschließen, die nur eine Teilmenge der großen Menge Menschheit oder Millionenstadt sind, z.B. einem persönlichen Freundeskreis, Vereinen oder Gruppen, die sich zu Freizeitbeschäftigungen treffen, angefangen beim Grillen übers Joggen, gemeinsam spazierengehen oder sonstige Aktivitäten.
Früher – und damit meine ich ganz früher, in der Steinzeit oder so – war es notwendig, diese kleine Gruppe zu verteidigen. Denn jeder Eindringling von außen konnte ein Feind sein, weil man ihn nicht kannte und deshalb nicht einschätzen konnte. Das Leben war voller Gefahren, und wenn man die kleine Gruppe erhalten wollte, der man angehörte und die einem Sicherheit, vielleicht sogar eine gewisse Art von Geborgenheit gab, musste man ziemlich rigoros dafür sorgen, dass alle Gefahren abgewehrt wurden, egal ob Mensch oder Tier.
In unserem Kopf sind wir immer noch so. Wir können mit den gewaltigen Gruppen, denen wir heute ausgesetzt sind, nichts anfangen. Sie erschrecken uns, bedeuten Gefahr. Wir wollen fliehen. Das sagt uns unser Reptiliengehirn, das immer noch existiert und vieles in uns steuert. Leider können wir dem Ratschlag dieses Gehirns nicht folgen, denn wir sind gezwungen, uns den großen Gruppen, die unser Leben bestimmen, anzupassen. Aber das ist nicht gut für uns. Wir sind einer inneren Zerrissenheit ausgeliefert und suchen die Sicherheit, die früher in kleinen Gruppen selbstverständlich war. Und was bleibt uns da übrig, wenn wir nicht fliehen können? Die andere Alternative zu Flucht ist Angriff. Und in den Angriff flüchten wir uns dann.
Durch dieses unser aggressives Verhalten finden wir dann eventuell auch Sicherheit und Geborgenheit in einer kleinen Gruppe, nämlich in einem Wolfsrudel, das aus Menschen besteht und gemeinsam über andere herfällt. Dann fühlen wir uns für einen kurzen Moment stark und in der Gruppe unangreifbar, unbesiegbar. Zum Nachteil des armen Opfers, das vielleicht auch gern Mitglied der Gruppe geworden wäre, dem aber gar keine Chance dazu gegeben wird. Vielleicht, weil es der zwölfte Wolf oder die zwölfte Wölfin ist und nur elf erlaubt sind.
Das ist aber leider kein Trost. Ein Trost wäre es, wenn wir uns aus dieser Wolfsmentalität weiterentwickeln würden zu wahren Menschen hin. Die in dem anderen immer zuerst den Mitmenschen sehen, nicht den Feind und auch nicht das Opfer.
Aber davon sind wir glaube ich noch weit entfernt. Deshalb widme ich mich manchmal lieber der Musik als den Menschen. Oder suche nette Menschen, mit denen ich Musik machen kann. Denn die Musik ist eine universelle Sprache, die die Menschen zusammenbringt, nicht trennt.
Weshalb ich jetzt wieder mein Saxophon umarme und mein Klavier streichle. 😎
(Die beide natürlich erst nach meiner Frau kommen, aber das weiß sie. 🥰)