Sowohl Musik zu machen als auch zu schreiben sind beides kreative Tätigkeiten. Und ich tue beides gern. Von meinen frühen Kindertagen an habe ich gern gesungen und auch schon im jungen Alter von acht Jahren angefangen, Gedichte zu schreiben. Aus den Gedichten wurden dann Geschichten und aus Volksliedern und Kinderliedern oder auch mal einem Beatles-Song wurden dann Opernarien.

Auf den Inhalt oder die Art des Genres kommt es aber gar nicht so sehr an, sondern mehr auf das Gefühl, das einen erfüllt, wenn man schreibt oder Musik macht. Ich habe im Laufe meines Lebens mehrere Instrumente zu spielen gelernt, ich habe gelernt, Opern zu singen, und ich habe gelernt, wie man Romane schreibt. Jede dieser Tätigkeiten ist gleich und doch auch wieder anders.

Was daran gleich ist, ist wie gesagt das Gefühl. Das Gefühl der Kreativität, könnte man es vielleicht nennen. Manchmal kommt man da richtig in einen Flow, wie es im Englischen oft bezeichnet wird. Alles fließt.

Man hat gar nicht mehr den Eindruck, dass man etwas macht, sondern dass etwas aus dem eigenen Inneren heraus gemacht wird. Man ist der eigenen Kreativität in gewisser Weise unterworfen wie den eigenen Gedanken. Sie kommen, ob man will oder nicht. Man kann das nicht eindeutig steuern, es weder gewollt hervorrufen noch abschalten, wenn es einem zu viel wird.

Ich hatte schon Tage, an denen mein Kopf dermaßen gefeuert hat und immer weitermachen wollte, obwohl ich schon längst viel zu müde und erschöpft war, dass ich dadurch fast zusammengebrochen bin. Ich hatte schon Tausende von Wörtern geschrieben, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Immer und immer weiter wurde ich von innen heraus getrieben, konnte einfach nicht abschalten, musste schreiben, als ob es um mein Leben ginge.

In der Musik ist es nicht ganz so schlimm, weil da meistens mein Körper dafür sorgt, dass ich nicht weitermachen kann. Wenn ich Saxophon spiele, machen nach einer gewissen Zeit meine Lippen einfach nicht mehr mit, und ich kann keinen Ton mehr aus dem Instrument herausholen. Und wenn ich zu lange am Klavier sitze, meldet sich mein Rücken, der ohnehin bereits durch zwei Bandscheibenoperationen geschädigt ist. Das tut dann so weh, dass ich aufhören muss, ob ich will oder nicht.

Aber auch dort gibt es diesen Flow, dieses Fließen, das bis in die Unendlichkeit weitergehen könnte – wenn mein Körper mitmachen würde. Letztens habe ich am Klavier eine kleine Improvisation gespielt, einfach ein paar Akkorde in der linken Hand gewechselt und rechts Töne gespielt, die mir dazu zu passen schienen. Da ich ein Digitalpiano habe, habe ich das sogar aufgenommen, das macht das Klavier automatisch, und dieses kleine Stückchen Musik, das da so aus mir herausgeflossen ist, dann einigen Leuten vorgespielt. Es gibt Leute, die diese kleine Improvisation bei sich zu Hause dann in Endlosschleife angehört haben, weil sie sie so beruhigend und sanft fließend fanden, dass es ihnen anscheinend fast dasselbe Gefühl vermittelt hat wie mir beim Spielen. Das hat mich fast ein wenig überrascht.

Ebenso erzählen mir Leserinnen von ihren Gefühlen, wenn sie meine Romane lesen. Dass sie das in eine gute, liebevolle Stimmung versetzt, dass es ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubert, das stundenlang nicht vergeht. Die Stimmung hält also stundenlang an.

Das ist das zusätzlich Großartige an Schreiben und an Musik und verbindet beides: dass man anderen Leuten damit eine Freude machen kann, ihr Leben zumindest für eine kurze Zeit bereichern und verschönern kann. Dass man das Gefühl, das man selbst bei dieser kreativen Tätigkeit hatte, anscheinend weitergeben kann, ohne dass der oder die andere selbst etwas tun muss. Außer die Musik zu  hören oder das Buch zu lesen. Oder vielleicht auch als Hörbuch zu hören.

In den letzten Jahren ist die Musik bei mir leider sehr zu kurz gekommen, weil ich so sehr mit dem Verlag und mit Schreiben beschäftigt war. Aber kürzlich habe ich wieder angefangen, mich mehr mit meinen Instrumenten zu beschäftigen, besonders auch mit dem Klavier. Saxophon habe ich eigentlich die ganze Zeit immer mal wieder gespielt, aber auf dem Klavier bin ich noch eine ziemliche Anfängerin und war dann oft etwas frustriert, weil ich nicht solche Dinge spielen konnte wie beispielsweise auf dem Saxophon oder wie ich sie singen kann.

Nun habe ich endlich wieder Klavierstunden und lerne jede Woche, eigentlich jeden Tag, etwas hinzu, kann mehr und mehr das spielen, was ich auch spielen möchte. Auch wenn es jetzt noch etwas mühsam ist. Und eine Konzertpianistin werde ich sicher nicht mehr. 😊 Aber das ist ja auch gar nicht nötig. Schreiben ist mein Beruf, aber Musik ist nur mein Hobby. Ich setzte mich ans Klavier, schließe die Augen, lasse alles fließen und spiele zur Entspannung. Genauso kann ich einfach mein Saxophon nehmen, die Augen schließen und vor mich hin spielen, die Töne einfach kommen lassen, wie sie wollen, ohne dass ich das übermäßig kontrolliere.

Es ist ein gutes Gegengewicht zu dieser allzu stressig kontrollierten Welt, in der wir uns befinden. Wir leben alle oft unter ständigem Druck, müssen Dinge erreichen, Dinge erledigen, können uns manchmal gar nicht mehr richtig entspannen. Dabei ist Entspannung als Ausgleich zur Anspannung, in der wir uns während der Woche oft bewegen, ohne dass sich viel daran ändert, so wichtig.

Ich könnte ohne eine kreative Beschäftigung nicht leben. Eine dieser kreativen Beschäftigungen habe ich zu meinem Beruf gemacht, wodurch dann auch Druck und Stress entstand, aber das ist eben manchmal nicht zu vermeiden. Dennoch ist es immer noch besser, sich selbst Druck bei etwas zu machen, das man gern tut, das man auch braucht, um sein Inneres ausleben zu können, als in einem Beruf, der nicht die eigene Berufung ist.

Es gab eine Zeit, zu der es auf der Kippe stand. Als ich darüber nachgedacht habe, die Musik zu meinem Beruf zu machen, professionelle Opernsängerin zu werden. Dann wäre wohl Schreiben mein Hobby geworden. Aber jetzt ist es andersherum.

Kreativität sucht sich ihren Weg wie ein Fluss in einem Flussbett. Manchmal gibt es Abzweigungen oder der Fluss teilt sich in mehrere Flussarme auf, dann wieder gibt es weite Umwege, sich schlängelnde Flussläufe, bis hin zu u-förmigen Verläufen, die dann fast wieder zum Ausgangspunkt zurückführen, aber zum Schluss erreicht der Fluss das Meer, auch wenn es meist nicht auf einem geraden Weg ist.

So fließt auch die Kreativität. Der Weg ist nicht immer gerade. Manchmal weiß man nicht, welches seiner vielen Talente man nutzen soll, manchmal denkt man auch, eine künstlerische Tätigkeit kann kein Beruf sein und sucht nach einem „Brotberuf“, damit man sich seine Kreativität „leisten“ kann. Das habe ich auch einige Jahre getan, aber ich bin nicht glücklich dabei geworden.

Ich brauche das Schreiben und ich brauche die Musik, um mich ausdrücken zu können, um überhaupt leben zu können. Ein Leben ohne Kreativität und ohne Kunst kann ich mir nicht vorstellen. Das wäre sehr öde für mich. Wahrscheinlich würde ich dann in Depressionen verfallen, weil das ganze Leben für mich grau wäre und keine Farbe mehr hätte.

Wenn ich das Saxophon in die Hand nehme, singe oder mich ans Klavier setze, ist das ganz anders. Dann öffnet sich ein ganzer Regenbogen von Farben, die Sonne lacht, auch wenn es draußen dunkel ist und regnet.

Und wenn ich mich an meinen Laptop setze und schreibe, dann versinkt die Welt um mich herum manchmal sogar völlig, und ich tauche in die Welt ein, die ich beim Schreiben erschaffe. Als ob ich in Paris wäre und nicht da, wo ich gerade tatsächlich bin. Es ist dann tatsächlich, als käme ich von einer Reise zurück, wenn ich „aufwache“ und zu schreiben aufhöre.

Aber ob man nun in Tönen oder in Wörtern versinkt, es ist beides eine unsagbar schöne Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Und für die ich unendlich dankbar bin.