In der AutorInnenzeitschrift »Tempest« erscheinen immer wieder interessante Interviews und Artikel für Schreibende. So gab es einmal ein Interview mit einem Lektor des großen Goldmann-Verlages, Volker Busch, das unter eben der Überschrift stand »Talent allein ist nicht genug«.

Diese Aussage gilt sicherlich für alle Bereiche des Lebens, nicht nur fürs Schreiben, aber gerade beim Schreiben, generell bei künstlerischen Berufen, scheint diese Erkenntnis noch nicht zu allen durchgedrungen zu sein.

Man fragt sich manchmal, warum. Haben Sie das Gefühl, Sie könnten als Rechtsanwältin oder Richterin arbeiten, weil Sie einfach einen großen Gerechtigkeitssinn besitzen? Ohne je Jura studiert zu haben? Oder ist es richtig, wenn jemand chirurgische Eingriffe an Menschen vornimmt und nie Medizin studiert hat? Würden Sie sich bei so jemand unters Messer legen?

Wahrscheinlich nicht. Man erwartet von Menschen, die einen Beruf professionell ausüben, daß sie auch etwas davon verstehen, daß sie diesen Beruf gelernt haben. Man wacht nicht einfach morgens auf und beschließt: »Ich bin Schreinerin«. Dazu muß man eine dreijährige Lehre abgeschlossen haben.

Beim Schreiben scheint das aber nicht nötig zu sein, da kann man kurz nach dem Aufstehen beschließen: »Ab heute bin ich Schriftstellerin«, und das war’s. Dann hackt man irgend etwas meist Bedeutungsloses oder Sinnloses ohne Berücksichtigung von Rechtschreibung und Grammatik in die Tastatur – Computer sind ja geduldig – und schon hat man eine »Kurzgeschichte« oder einen »Roman« fertig, ohne überhaupt zu wissen, was eine Kurzgeschichte oder ein Roman ist.

Talent ist wie Samen, der in trockener Erde liegt

Es gibt zwar auch Leute, die sich Mühe geben, die durchaus der deutschen Sprache mächtig sind und ihre Geschichte überprüfen, bevor sie sie an einen Verlag schicken. Das meiste, was Verlage zugeschickt bekommen, sieht jedoch so aus, wie ich es oben beschrieben habe. Alle Verlage klagen darüber.

Selbst wenn jemand, der so lieblos einen Text erstellt und verschickt, Talent haben sollte (was ich allerdings bezweifle, denn dann würde er sich mehr Mühe geben), wird dieses Talent auf diese Art nie entdeckt werden. Solche Texte landen gleich im Mülleimer oder werden postwendend zurückgeschickt (wenn man Rückporto beilegt).

Doch auch Talent allein ist nicht genug, wie Volker Busch sagt. Talent ist wie Samen, der in trockener Erde liegt. Wird die Erde nicht bewässert, wird der Samen nicht gepflegt, wird daraus nie etwas wachsen. Er wird verdorren oder unentdeckt bleiben.

Wenn ich also meine, ich habe Talent zum Schreiben, dann sollte ich den Samen, den ich in mir trage, zum Wachsen bringen.

1. Voraussetzung (peinlich, daß man das immer wieder sagen muß):
Die Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik

2. Voraussetzung:

Beschäftigung mit Sprache und Stil guter Bücher, das heißt: lesen, lesen lesen!

3. Voraussetzung:

Das Handwerk des Schreibens erlernen

Wo bleibt denn da das Schreiben selbst, mein toller Roman, mit dem ich schon so lange schwangergehe?

Tja, das ist eben einer dieser Irrtümer, die nicht auszurotten sind: Das Schreiben ist nicht der Anfang, sondern das Ende, das Meisterstück sozusagen. Mit dem Schreiben kann man erst beginnen, wenn man die drei oben genannten Voraussetzungen erfüllt. Vorher hat es keinen Sinn.

Und wenn ich Legasthenikerin bin? Wie soll ich da die Rechtschreibung lernen?

Lernen Sie einfach so viel, wie Sie können. Je nachdem, wie stark die Behinderung durch die Legasthenie ist, kann man da sehr viel üben und verbessern. Und bevor Sie Ihren Text an einen Verlag schicken, lassen Sie ihn von jemand lesen, der die Rechtschreibung beherrscht. Oder Sie geben den Text an ein professionelles Lektorat, das Ihnen den Text korrigiert.

Einen Vorteil haben Sie als Legasthenikerin: Legastheniker gelten allen Untersuchungen zufolge als überdurchschnittlich intelligent. Setzen Sie Ihre Intelligenz ein und finden Sie die beste Lösung.