Hier hingegen ist ein erster Satz, der ein humorvolles (oder satirisches) Buch verspricht:

»Daß meine Enkeltochter so schwierig ist, hängt vor allem mit Carls geringer Spermiendichte zusammen.«
Irene Dische, Großmama packt aus

Erste Sätze können auch lang sein, obwohl kurze meiner Ansicht nach besser und vor allem prägnanter sind, aber wer wird bei diesem ersten Satz nicht weiterlesen wollen?

»Wenn Maggie Blackburn Jahre später an diesen Vorfall zurückdachte, hätte sie sich mit dem Wissen, was daraus werden würde – was sich alles daraus ergeben sollte –, nicht die Frage stellen wollen, ob sie ihre Party an jenem Tag gegeben und dazu die nämlichen Gäste eingeladen hätte.«
Joyce Carol Oates, Das Frühlingsopfer
(engl. Nemesis)

Ein sehr kurzer Satz, der trotzdem gleich eine beklemmende Stimmung erzeugt, ist:

»Last night, I dreamt I went to Manderley again.«
Daphne du Maurier, Rebecca

Wir alle wissen – wenn nicht durch das Buch, dann durch den Film –, was der armen, namenlosen Protagonistin in Manderley widerfährt beziehungsweise widerfahren ist, und es schaudert uns. Aber selbst, wenn man dieses Wissen nicht hat, scheint es nicht harmlos zu sein, daß die Heldin von Manderley träumt.

Dieser Satz beinhaltet vieles in komprimierter Form. Die Protagonistin hat in der vergangenen Nacht geträumt, uns schwant nichts Gutes, und sie erzählt, daß sie von Manderley geträumt hat – ein Name, der uns nichts sagt –, und nicht nur, daß sie davon geträumt hat, sondern daß sie geträumt hat, sie ginge wieder dorthin, sprich, sie war schon einmal da.

Das wirft viele Fragen auf.

  • Warum träumt sie von Manderley?
  • Was ist Manderley überhaupt?
  • Wie ist sie dort hingekommen, warum war sie dort?
  • Warum ist sie es heute anscheinend nicht mehr?
  • Und was um Himmels willen ist dort Schreckliches geschehen?

Wer nach einem solchen Anfang nicht weiterliest, muß übermenschliche Beherrschung besitzen.

Und Aufgabe der Autorin ist es, das Versprechen, das ihr erster Satz erzeugt hat, nun einzulösen, und der Leserin alle ihre Fragen zu beantworten, in spannender und unterhaltender Form.

Ich glaube, niemand bezweifelt, daß Daphne du Maurier dies gelungen ist.

* * *

Hier gibt es zwar nichts zu gewinnen, aber wenn Sie möchten, können Sie Ihren Lieblingssatz aus einem Buch hier einstellen. Es muß kein erster Satz sein, aber er sollte das Zeug zu einem ersten Satz haben.

Möglichst sollte der Satz von einer Frau stammen, am allerliebsten natürlich von einer lesbischen Autorin. Bitte geben Sie die Autorin und den Titel des Buches, aus dem der Satz stammt, mit an.

Ich freue mich auf ganz viele erste (zweite, dritte oder . . .) Sätze!