Tiefenpsychologisch lässt sich so eine Frage natürlich immer schwer beantworten, aber was ich über mich sagen kann, ist sicher: Ich bin Schriftstellerin und Verlegerin. Geschrieben habe ich schon immer – schon seit meinem achten Lebensjahr, als ich anfing, Gedichte zu schreiben. Verlegerin wurde ich dann später, als ich Romane schrieb und auch die Romane anderer lesbischer Autorinnen, die ebenfalls lesbische Romane schrieben, veröffentlichte.

Ich habe immer ungeheuer viel gelesen – es sind so viele Tausende von Büchern, die ich in meinem Leben gelesen habe, dass ich da gar keine Zahl nennen kann –, und auch das Schreiben war immer schon Teil meines Lebens, wie gesagt, und doch habe ich, bis ich Mitte dreißig war, nie etwas veröffentlicht oder auch nur versucht zu veröffentlichen. Das Einzige, was auch andere Leute gelesen haben, waren meine Seminararbeiten an der Uni oder meine Examensarbeit.

Eine ganze Weile habe ich mich mehr auf Musik als auf Bücher konzentriert, weil ich bis Ende zwanzig noch mit dem Gedanken gespielt habe, Opernsängerin zu werden. Davor hatte ich in den letzten beiden Jahren vor dem Abitur und dann auch noch ein Jahr nach dem Abitur beim Kölner Stadt-Anzeiger als freie Journalistin gearbeitet, weil ich dachte, wenn ich aus dem Schreiben einen Beruf machen will, geht das nur als Journalistin. Da bekommt man ein Gehalt. Als freie Schriftstellerin gibt es das nicht. Man kann sich nirgendwo als Schriftstellerin anstellen lassen.

In meiner Familie herrschte in Bezug auf Arbeit ein sehr konservatives und sicherheitsbewusstes Denken vor, und davon war ich natürlich auch geprägt. Um dem zu genügen, hätte ich allerdings Beamtin werden müssen. Das war in meiner Familie zwar niemand, aber mit einer Verbeamtung bekommt man eine Sicherheit, die wohl durch nichts anderes zu schlagen ist. Doch dafür muss man an anderer Stelle auch Abstriche machen, und je mehr mir das bewusst wurde, desto mehr wusste ich auch, dass ich das nicht kann. Für ein Beamtendasein muss man geboren sein. Und möglichst sollte man dafür nicht allzu kreativ sein. Das ist einer Beamtenkarriere nicht besonders zuträglich und auch im täglichen Beamtendasein sicher eher ein Hindernis. Kreativ war ich aber leider. Das war sozusagen mein zweiter Vorname. Somit passte das nicht zusammen.

Während dieser ganzen Zeit, in der ich über meinen endgültigen Beruf nachdachte, studierte ich Germanistik. Was mir eigentlich schon einen Hinweis hätte geben sollen, auf was ein Beruf für mich hinauslaufen sollte. Weil Deutsch immer mein Lieblingsfach in der Schule gewesen war und ich mir ein Leben ohne Bücher, ohne Lesen und auch ohne Schreiben gar nicht vorstellen konnte. Es gibt wahrscheinlich keinen einzigen Tag in meinem Leben, seit ich lesen kann, an dem ich nicht ein Buch gelesen habe.

Aber gerade weil sowohl Lesen als auch Schreiben mir so großen Spaß machten, dachte ich immer, damit könnte ich kein Geld verdienen. Typisch deutsch irgendwie. 🙂 So entschloss ich mich dann am Ende meines Studiums dazu, eine Umschulung in Richtung Computer zu machen, weil ich mich schon arbeitslos auf der Straße stehen sah mit meinem Germanistikexamen. Auch Lektorinnen in Verlagen waren mittlerweile nur noch selten fest angestellt, und ich hatte in diese Richtung gedacht. Vor der Umschulung hatte man mir auf dem Arbeitsamt gesagt, als Germanistin wäre ich auf dem Arbeitsmarkt sozusagen überflüssig, nach der Umschulung hätte ich mir einen Job aus sehr vielen aussuchen können. Was ich dann auch tat.

Das begeisterte mich zuerst ziemlich, aber nachdem ich dann zwei Jahre in dem Beruf gearbeitet hatte, begann ich mich zu langweilen. Die Dinge wiederholten sich, kreativ war das auch nicht unbedingt, selbst wenn man programmierte, und ich sah mich nicht in ferner Zukunft immer noch mit Computern herumhantieren. Jedenfalls nicht beruflich. Ich hatte das Gefühl, mein Kopf fing richtiggehend an einzuschlafen, weil ich ihn für meinen Job kaum noch benutzen musste. Ich wurde praktisch fürs Nichtstun bezahlt, denn ich musste mich in keiner Weise anstrengen, nur einfach regelmäßig im Büro – der Informatikabteilung einer großen Versicherung – auftauchen und das tun, was eben an einem Tag so anfiel.

Der Nachteil war: Ich arbeitete damals in der Schweiz und ich wurde sehr gut für diesen wenig anstrengenden Job bezahlt. In Deutschland beneideten mich viele um mein hohes Gehalt. Das in der Schweiz als gar nicht so hoch galt, aber damals herrschte ein großes Gefälle zwischen Gehältern in der Schweiz und in Deutschland. Als ich von Deutschland in die Schweiz wechselte, bekam ich praktisch auf einen Schlag das Doppelte.

Aber was nützt ein hohes Gehalt, wenn man nicht zufrieden ist? Wenn man das Gefühl hat, man kann seinen Kopf genauso gut abschalten, wenn man ins Büro kommt, weil alles nur noch Routine ist und quasi automatisch abläuft?

Also begann ich, mich nach einer Möglichkeit umzusehen, wie ich meinen Kopf beschäftigen könnte, und dachte mir bei einigen Ariadne-Lesbenkrimis, die ich so las: Das kannst du auch. Und besser.

Vor allem, weil mir bei diesen Lesbenkrimis immer etwas fehlte. Sie wurden zwar als Krimis bezeichnet, aber meistens war die Krimihandlung nur eine Art Alibi für die Darstellung einer lesbischen Beziehung, einer lesbischen Liebesgeschichte. Ich war schon seit meiner Teenagerzeit eine begeisterte Krimileserin, insbesondere von Agatha Christie, aber diese Lesbenkrimis waren keine wirklichen Krimis, das merkte ich sofort. Dennoch las ich sie, und zwar weniger wegen der Krimihandlung als wegen der sogenannten „Stellen“. Darauf kam es in einem Lesbenkrimi in erster Linie an. Liebesszenen oder sogar Sexszenen zwischen zwei Frauen. Denn sonst bekam man das nirgendwo zu lesen.

Aber warum nicht? Das fragte ich mich. Warum gab es keine lesbischen Liebesromane, und wir Lesben mussten uns mit „Stellen“ begnügen? Schließlich war der Markt schon lange überschwemmt mit Heteroliebesromanen, vom Groschenroman bis zu Romanen wie Vom Winde verweht.

An uns Lesben dachte aber anscheinend keiner. Auch die lesbischen Autorinnen von lesbischen Krimis taten das nur sehr begrenzt. Die kleinen Szenen zwischen den beiden Frauen waren wirklich nur „Stellen“, oft lediglich zwei, drei Sätze, höchstens mal zwei, drei kurze Absätze, dann war es schon wieder vorbei. Das war äußerst frustrierend. Und nicht nur für mich, wie ich von anderen hörte.

Dennoch beschloss ich, ich schreibe zuerst einmal einen Lesbenkrimi, weil das eben das war, was es gab. Das Genre Lesbischer Liebesroman schien völlig unbekannt. Und ich mochte Krimis ja auch sehr gern.

Aber leider bin ich keine Krimiautorin. Mittlerweile habe ich zwar auch ein paar geschrieben, aber das liegt mir nicht wirklich, und anders als beim Lesen von Krimis habe ich auch nicht den größten Spaß daran. Wie schon bei meinem ersten Lesbenkrimi-Versuch mit Computerspiele lande ich immer wieder bei einer Liebesgeschichte. Computerspiele war sehr schnell an einem Punkt angelangt, in dem es nur noch um zwei Frauen ging, die sich näher kennenlernten. Und so entstand Taxi nach Paris, der erste lesbische Liebesroman aller Zeiten weltweit.

Was dann dazu führte, dass ich die édition el!es gründete. Und der Rest ist Geschichte. 😊